„Ich hoffe, dass es diesmal klappt“

Frankfurt · Fünf Jahre war von Andrea Ypsilanti wenig zu hören. Die Frau, mit deren Namen die schlimmste Pleite der SPD in Hessen verbunden ist, schwieg. Nun zieht sie wieder in den Wahlkampf. Hausbesuche sind angesagt.

Andrea Ypsilanti klingelt. Und wenn sich im Frankfurter Stadtteil Riederwald eine Tür öffnet, sagt sie ihren Spruch: "Hallo, ich bin Andrea Ypsilanti, die SPD-Landtagsabgeordnete für diesen Wahlkreis. Ich bin heute im Quartier unterwegs und mache Werbung für die Wahl am 22. September." Dann überreicht sie Handzettel und ein Tütchen Blumensamen. Die Sorte? Vergissmeinnicht. Vor der Landtagswahl putzt die Ex-Landesvorsitzende der SPD Klinken. Sie will es noch einmal wissen, die Fast-Ministerpräsidentin, die in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren fast unsichtbar war.

Nur auf dem Höhepunkt ihrer Karriere 2008 hat die 56-Jährige den Wahlkreis 39 im Frankfurter Nordosten direkt gewonnen. Die Kleinstädte am Rand der Metropole halten diesmal eher zu ihrem Konkurrenten, dem hessischen Innenminister Boris Rhein (CDU). Aber Riederwald, eingeklemmt zwischen Gewerbegebieten und Autobahnen, ist SPD-Stammland, ein gewachsenes, etwas abgewracktes Arbeiterviertel. Die Straßen heißen nach Führern des Proletariats - Görres, Lassalle, Marx. Konkurrenz sind hier die Linkspartei und die Nichtwähler.

Ypsilanti bittet gar nicht, für sie zu stimmen. Es geht darum, die Leute überhaupt zur Wahl zu bringen. "Wenn sie sagen: Ich bin die Kandidatin, und die macht sich auf den Weg, das hat was." Mit Häuserwahlkampf hat die Hessen-SPD die OB-Wahlen in Frankfurt und Wiesbaden gewonnen. Auch bundesweit sollen diesmal Millionen Hausbesuche Stimmung für SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück machen. Im Friseurladen holt eine Kundin mit eingedrehten Haaren ihr Fotohandy heraus, um die Abgeordnete zu knipsen. Viel reden wollen die Riederwälder mit ihr nicht. Eher misstrauisch schauen sie aus ihren Haustüren, einige bedanken sich schüchtern. "Ja, ich kenne sie, aber ich wähle sie nicht", sagt ein Mann unwirsch.

Aber Ypsilanti bekommt auch anderes zu hören. "Leider sind sie damals gescheitert", begrüßt sie ein Rentner. "Aber hoffentlich klappt es jetzt." Da ist sie - die Erinnerung an ihren Aufbruch und ihr dramatisches Scheitern, die größte Pleite der SPD in Hessen.

2008 wollte Ypsilanti die CDU-Regierung von Roland Koch ablösen mit Stimmen der Linken, obwohl sie dies im Wahlkampf ausgeschlossen hatte. Sie nahm ihr Wort zurück. Zwei Anläufe zur Regierungsbildung schlugen fehl, weil SPD-Genossen nicht mitzogen. Die Flügelkämpfe in der eigenen Partei hatte sie nicht unter Kontrolle bekommen.

"Ich hoffe, dass es diesmal klappt", entgegnet Ypsilanti dem Mann freundlich, aber knapp. Reden will sie über die alten Zeiten nicht. Als "Lügilanti" beschimpfte die "Bild"-Zeitung sie damals. Ihr Nachfolger Thorsten Schäfer-Gümbel kehrte den Scherbenhaufen zusammen und erklärte, der Wortbruch sei ein Fehler gewesen. Im Landtag schwieg Ypsilanti seitdem - nicht in der Fraktion, aber im Plenum. Sie wirkt im Stillen in ihrem Institut Solidarische Moderne (ISM), einer linken Denkfabrik.

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