„Ich habe in Abgründe geschaut“

Berlin · Seit zwei Jahren ist Ursula von der Leyen (CDU) nun Verteidigungsministerin und in ihrem Amt mehr denn je gefordert. Sie muss den Bundeswehreinsatz in Syrien und in Mali verantworten. Nun heißt es Panzer statt Pampers.

Eine Frau in diesem Amt, schon das war eine Sensation. Dann diese. Von der Statur eher Püppchen als General, dazu noch siebenfache Mutter. Als Ursula von der Leyen (CDU ) vor zwei Jahren zur Verteidigungsministerin ernannt wurde, traute man ihr den Job nicht zu. Weil sie gleich die "familienfreundliche Bundeswehr " ausrief, schienen die Vorurteile schon zu Beginn bestätigt zu sein. Pampers statt Panzer. Die spielt nur Verteidigungsministerin, hieß es bald, nachdem sie einige posierende Fotos zu viel hatte schießen lassen. Und das nicht einmal gut.

Jetzt führt Ursula von der Leyen, die für die Soldaten offiziell die "Inhaberin der obersten Befehls- und Kommandogewalt" ist, ihren ersten eigenen Krieg. 1200 Einsatzkräfte für die Bekämpfung des IS in Syrien und im Irak, eine Fregatte und sechs Tornados, wird der Bundestag dafür heute genehmigen. Zwar nur zur Luftaufklärung , aber gefährlich genug. Jetzt ist alles sehr ernst. Gestern stand die Ministerin eine Stunde lang Rede und Antwort, sehr ruhig, sehr sachlich. An ihrer Seite Generalinspekteur Volker Wieker. Er ist für die militärischen Details zuständig, denn von der Leyen ist immer noch viel mehr Generalistin als General. Allerdings steht sie bei internationalen Fragen wiederum deutlich hinter Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ) zurück, der ihr auf diesem Feld im Übrigen auch nicht viel Raum lässt.

Ursula von der Leyen bleibt da nur die Rolle der Motivatorin. Die 57-Jährige ist dafür zuständig, die eigene Truppe und die Bevölkerung von der Sinnhaftigkeit des Einsatzes zu überzeugen. Im aktuellen Fall hat sie sich für eine drastische Wortwahl entschieden. Dass der IS Menschen "abschlachtet" und "massakriert", sagt sie, und immer wieder den Satz: "Wir lassen uns nicht einschüchtern."

"Ich habe", sagte sie gestern, "in Abgründe geschaut." Sie meinte damit vor allem das Schicksal der Jesiden. Bei einem Besuch im Nordirak ist sie einigen Überlebenden begegnet. Als im Bundestag eine Abgeordnete der Linken meinte, die Bombardements der internationalen Allianz sorgten für die Flüchtlingsströme, herrschte von der Leyen die Dame regelrecht an: "Ich höre wohl nicht richtig! Die Flüchtlinge fliehen vor dem IS!" Bei ihrem Amtsantritt stand noch der Rückzug aus Afghanistan auf der Agenda. Und wenn ihr etwas Sorgen bereitete, dann alte Rüstungsskandale. Den eigenen Laden effizienter, kontrollierter, verantwortlicher machen, das schien ihre Kernaufgabe für den Rest der Zeit. Und eigentlich konnte sie, bei einigem Fleiß, nur gewinnen und so vielleicht doch eines Tages Merkel beerben. Doch jetzt ist es anders gekommen. Frau Verteidigungsministerin ist Kriegsherrin geworden. Der nächste Einsatzbefehl, 650 Mann ins gefährliche Mali, winkt schon. Er wird im Januar beschlossen. Für alles, was schiefgehen kann bei diesen Einsätzen, auch für alle Opfer, trägt nun sie die politische Verantwortung. Sie gibt den Einsatzbefehl. Der Abgrund wird zurückschauen. Von der Familienministerin zur Verteidigungsministerin: Ursula von der Leyen. Foto: afp

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