„Ich habe gerne einen gewissen Einfluss“

Bonn/Saarbrücken · Sie war die saarländische Uni-Präsidentin, dann die Vorsitzende der Hochschul-Rektorenkonferenz und jetzt ist Margret Wintermantel (68) beim Deutschen Akademischen Austauschdienst, reist mit Politik-Größen um den Globus. Eine Bilderbuch-Karriere, ein geglücktes Leben?

 Margret Wintermantel war einst Psychologieprofessorin an der Saar-Uni, später leitete sie die Hochschule. Heute ist sie sozusagen das Gesicht der deutschen Wissenschaft im Ausland. Foto: Thilo Vogel

Margret Wintermantel war einst Psychologieprofessorin an der Saar-Uni, später leitete sie die Hochschule. Heute ist sie sozusagen das Gesicht der deutschen Wissenschaft im Ausland. Foto: Thilo Vogel

Foto: Thilo Vogel

Mit Kants "Kritik der reinen Vernunft" fing alles an. 1966 hörte die Mainzer Psychologiestudentin im Erstsemester eine Philosophie-Vorlesung und verstand - nichts. "Das muss aber doch gehen!", beschloss sie. Kämpferisch, ehrgeizig, zäh und fleißig, all das war sie schon immer, meint Wintermantel bei unserer Begegnung in ihrem eleganten Präsidentinnen-Büro in der Bonner DAAD-Zentrale.

Die Tochter eines Lehrers, eines "typischen Intellektuellen", wie sie sagt, wurde durch Fordern gefördert und mit Zähigkeit und Durchhaltevermögen imprägniert. Sonst hätte sie es nicht bis zur Habilitation geschafft, als junge Mutter und Ehefrau eines vielbeschäftigten BASF-Managers in Weinheim, einem 2000-Seelen-Dorf, nördlich von Heidelberg, wo Wintermantel immer noch lebt.

Naturnähe ist ihr wichtig, sie wurde damit groß. Ihr Doktorvater stellte ihr jedenfalls die Frage: "Warum wollen Sie überhaupt Professor werden, Sie sind doch verheiratet und Mutter?" Ja, warum? Sie liebe Herausforderungen, sagt Wintermantel. Mit dieser Antwort lässt sich jeder ihrer Karriere-Schritte erklären: Vizepräsidentin, dann Präsidentin an der Saar-Uni, Wechsel zur Hochschulrektorenkonferenz , jetzt DAAD - das Gesicht der deutschen Wissenschaft in der ganzen Welt. Für eine Psychologin ist das aber dann doch vielleicht eine zu simple Erklärung.

Wie steht's mit Eitelkeit? "Ich vertrete eine Organisation mit einer hohen Expertise. Der DAAD weiß, wie weltweit die Wissenschaftssysteme funktionieren." Das sagt sie selbst. Und wenn Außenminister, Bundes-Forschungs- und Bildungsminister oder Bundespräsidenten reisen, sitzt die DAAD-Chefin als Teil der Regierungsdelegation mit am Verhandlungstisch. Nicht als Vertreterin einer nachgeordneten Behörde, sondern auf Augenhöhe, als Beraterin. Mit Frank-Walter Steinmeier (SPD ) war sie in Ruanda und in Kenia, mit Joachim Gauck in Südamerika - die Nähe zur Polit-Elite, die schmeichelt doch? Einen sehr langen Moment zögert Wintermantel, bevor sie sagt: "Ich habe gerne einen gewissen Einfluss. Ich bin wohl gerne mächtig und bei den Mächtigen."

Doch wie letztere steht Wintermantel unter ständiger Beobachtung, hat sich eine diskrete, staatsmännische Diktion angeeignet. Das passt zur "smart diplomacy" - der sanften Diplomatie, für die der DAAD steht: "Wir halten Gesprächskanäle offen", sagt Wintermantel. Die Kunst des Weglassens prägt die Einrichtung ihres Büros ebenso wie ihre stilvolle Garderobe, mit der sie ihre Weiblichkeit unterstreicht. Charme ist Wintermantels leichteste Übung, Diese zarte, noble Erscheinung scheint die Idealbesetzung für repräsentative Ämter.

Aber Margret Wintermantel möchte am Liebsten gar nicht so viel über sich selbst reden. Ihr Mann wurde 2005 nach 36 guten Ehejahren im Urlaub von ihrer Seite gerissen. Ihr einziger Sohn, der in Straßburg lebt, hat sie zur glücklichen Oma gemacht. Ende der persönlichen Durchsage. Am Herzen liegt Wintermantel ihre Aufgabe, diese "lohnende Sache", die sie auch noch eine weitere Amtszeit, bis 2019, ausfüllen will. Wintermantel legt dar, wie der DAAD mithilft, damit sich junge Stipendiaten auf der "Höhe ihrer Begabungen" optimal entfalten können. Dadurch, sagt sie, würden sie zu "Freunden fürs Leben" für Deutschland. Die Formulierung, sie sei "eine Ermöglicherin", gefällt ihr.

Tatsächlich hat die entwicklungspsycholgische Thematik sie lebenslang beschäftigt und fasziniert: Potenzialsuche und Potenzialförderung. Außerdem, so Wintermantel, habe die Psychologie, ihr "Neigungsfach", sie gelehrt, wie stark uns subjektive Interpretationen und kulturelle Muster einengen und wie fruchtbar der Perspektivwechsel sei: "Andere Gesellschaften machen vieles anders, aber nicht schlechter." Sprich: Wintermantel fühlt sich an der Spitze des DAAD pudelwohl und goldrichtig.

Es erleichtere ihr die Arbeit, dass Deutschland keineswegs als ausländerfeindlich gelte - anders als medial, etwa während der Pegida-Hoch-Zeit, transportiert: "Das Bild der piefigen Nation existiert im Ausland nicht." Die mexikanische Professorin, der Maschinenbauer in Tokio, die iranische Ärztin - bei ihnen allen hingen Fotos aus DAAD-Studententagen in Deutschland an den Bürowänden in ihren Heimatländern.

300 Tage im Jahr ist Wintermantel unterwegs, wenn nicht im Ausland, dann zwischen Bonn und den für den DAAD zuständigen Berliner Ministerien. Mit dem Saarland verknüpfen sie noch zahlreiche Freunde, deren Identität sie nicht preisgeben möchte. Als "weltoffen, herzlich, verständnisvoll, am Dialog interessiert" erlebt sie die Region, und versichert, andere täten das auch. Das Saarland werde in Deutschland keineswegs als provinziell eingeschätzt, sondern sei wegen des französischen Flairs positiv besetzt. Sicher, die Universität bewege sich "in schweren Wassern", das werde mit Sorge wahr genommen. Wintermantel möchte zu den Spar- und Umstrukturierungs-Vorgängen der Uni "keine Ratschläge" erteilen, merkt jedoch an, dass der während ihrer Rektorinnen-Amtszeit aufgebrochene Zielkonflikt - Landeskinder-Uni oder internationaler Wissenschaftsstandort - immer noch nicht gelöst wurde. Und dies, obwohl der Wettbewerb unter den Universitäten weltweit knallhart geworden sei. Der saarländische Hang zur "Selbstverzwergung", zum "Sich-Kleinfühlen und Sich- Kleinmachen", helfe da nicht weiter. Ihr Kommentar zum neuen Landes-Image-Slogan "Großes entsteht immer im Kleinen"? - Wintermantels ungläubiges Gesicht spricht Bände.

Und wie blickt sie auf sich selbst, auf eine Frau mit Bilderbuch-Karriere? Solch plakative Ausdrucksweisen liegen Wintermantel überhaupt nicht. Sie wehrt ab: "Ich habe das aus mir gemacht, was möglich war." Aus entwicklungspsychologischer Sicht hat sie sich damit das höchstmögliche Lob ausgestellt.

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Auf einen BlickMargret Wintermantel ist 1947 geboren und hat Sozialpsychologie studiert. Bevor sie 2012 Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) wurde, war sie sechs Jahre lang Chefin der Hochschulrektorenkonferenz . Zwischen 1992 und 2006 lag ihr Berufs-Mittelpunkt im Saarland. Wintermantel war Psychologieprofessorin an der Saar-Uni, ab 1994 Vizepräsidentin und ab 2000 Präsidentin der Uni des Saarlandes. Als DAAD-Präsidentin ist sie weltweit für über 100 000 Akademiker zuständig, die der DAAD fördert. Die Organisation wird von mehreren Bundesministerien finanziert. Sie unterhält 15 Außenstellen und 45 Infozentren. Die Aufgaben unter anderem: Stipendienvergabe, Hochschulpartnerschaften, Hochschulkooperationen. ce

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