Hillary Clinton will Geschichte schreiben

Philadelphia · Hillary Clinton hat einen entscheidenden Schritt nach vorn gemacht: Jetzt kann sie zum Sprung ins Weiße Haus ansetzen. An ihrer Entschlossenheit ließ sie keinen Zweifel.

Die Farbe ihres Hosenanzugs ist ein optimistisches Weiß. Das Lächeln soll möglichst nicht aus ihrem Gesicht weichen, höchstens dann, wenn sie über ihren Widerpart redet, über Donald Trump . Es ist die wichtigste Rede ihrer Karriere, ihre erste als offiziell nominierte Präsidentschaftskandidatin. Und Hillary Clinton nutzt die Gelegenheit, um in scharfen Linien nachzuziehen, was sie von Trump trennt.

Hatte der Tycoon auf dem Parteitag der Republikaner das Bild eines Landes am Abgrund gezeichnet, so liefert sie auf dem Konvent der Demokraten den Gegenentwurf. Den düsteren Visionen setzt sie einen zukunftsgläubigen Blick auf die Welt entgegen, einen uramerikanischen Blick, wie sie betont. Hatte Trump den Eindruck erweckt, als könne nur er eine Nation im Notstand retten, setzt sie seinem "Ich" ein "Wir" entgegen: "Glaubt niemandem, der euch sagt, er könne alles alleine lösen." Das gehe nirgends auf der Welt, und in Amerika gehe es schon gar nicht, ruft Clinton aus. In Amerika seien es die Leute gewohnt, Probleme gemeinsam anzupacken. Bisweilen klingt es nach einer Geschichtslektion, etwa dann, als sie Franklin D. Roosevelt zitiert, der mit massiven Konjunkturprogrammen auf die Weltwirtschaftskrise reagierte: Das Einzige, was man zu fürchten habe, sei die Furcht selber. Sie mache sich keine Illusionen über die Probleme, mit denen die USA zu kämpfen hätten. "Aber wir haben keine Angst", knüpft sie bei Roosevelt an. Ihren Rivalen charakterisiert sie als einen Schwarzmaler, der so gar nichts gemein habe mit der unerschütterlichen Zuversicht, wie ein Ronald Reagan , der Held der Konservativen, sie verkörperte. Reagan habe vom Morgen in Amerika gesprochen. Bei Trump höre es sich an, als sei Mitternacht in Amerika.

Das ist natürlich ein Appell an die politische Mitte, an hemdsärmelige Tatmenschen, nicht zuletzt an jene Republikaner, die mit ihrem Kandidaten hadern. Trump, sagt Clinton, setze darauf, "dass die Gefahren der heutigen Welt uns blind machen für die grenzenlosen Möglichkeiten dieser Welt". Dann zeichnet sie das Bild eines Cholerikers, der schon beim geringsten Widerspruch die Selbstkontrolle verliere, wenn er zum Beispiel beim Kurzmitteilungsdienst Twitter etwas lese, was ihm nicht gefalle. Man möge sich Trump einmal im Weißen Haus vorstellen, konfrontiert mit einer echten Krise. "Einen Mann, der sich mit einem Tweet ködern lässt, ist nicht der Mann, dem wir unsere Atomwaffen anvertrauen können."

Das Weichzeichnen einer Kandidatin, die vielen als unnahbar gilt, als die Eiserne Lady der Politik, übernimmt ihre Tochter. Chelsea Clinton erzählt Anekdoten aus der Kindheit in Arkansas. Eine handelt von der Mutter, die ihrer Fantasie auf die Sprünge half, als sie sich beide in kleinen Geschichten ausdachten, was sie wohl tun würden, wenn ihnen ein Dinosaurier über den Weg laufe. Und irgendwann räumt die frühere First Lady, Senatorin und Außenministerin ein, dass sie manchen ihrer Landsleute wohl noch immer als ein Rätsel erscheine. "Über all die Jahre im öffentlichen Dienst ist mir der Dienst immer leichter gefallen als die Öffentlichkeit. Manche Leute wissen nicht, was sie mit mir anfangen sollen."

Umfragen zufolge haben zwei Drittel der Amerikaner kein Vertrauen in Hillary Clinton . Die Rede ist ihre große Chance, dagegen anzusteuern, indem sie sich in sympathischer Offenheit menschliche Schwächen eingesteht und sich zu Fehlern bekennt. Es gelingt ihr allenfalls ansatzweise. Sich selber auf die Schippe zu nehmen, eine Kunst, auf die sich ihr Mann Bill perfekt versteht, scheint einfach nicht ihre Sache zu sein, zumindest nicht vor großem Publikum. Das Kapitel "Persönliches" fasst sie in einem Satz zusammen, der ihre Willensstärke betont: "Mehr als einmal musste ich mich wieder aufrappeln, um zurück ins Spiel zu kommen".

Mittendrin versucht sie, nunmehr jenseits aller Polemik, das Phänomen Trump zu erklären. Das Phänomen eines Milliardärs, der bei weißen Geringverdienern ohne College-Abschluss besser ankommt als bei jeder anderen Bevölkerungsgruppe. Die Demokraten, betont sie, seien doch die Partei der arbeitenden Menschen. Doch hätten sie es bisweilen versäumt, den kleinen Leuten in Amerika das Gefühl zu geben, dass man verstanden habe, was sie durchmachten. "Einige von euch sind verärgert und wütend. Und wisst ihr was, ihr habt recht."

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