Harte Fronten im Bahnhofsstreit

Stuttgart. Trotz der angelaufenen Schlichtung zu Stuttgart 21 bleibt die Stimmung zwischen Befürwortern und Gegnern des Bahnprojekts aufgeheizt. Am Samstag gingen in Stuttgart bei Regen wieder tausende Bürger gegen das Milliarden-Vorhaben auf die Straße

Stuttgart. Trotz der angelaufenen Schlichtung zu Stuttgart 21 bleibt die Stimmung zwischen Befürwortern und Gegnern des Bahnprojekts aufgeheizt. Am Samstag gingen in Stuttgart bei Regen wieder tausende Bürger gegen das Milliarden-Vorhaben auf die Straße. Laut Polizei kamen rund 18 000 Menschen auf dem Schlossplatz zusammen, die Veranstalter zählten 25 000 - viel weniger, als die Gegner des Bahnprojekts erhofft hatten. Sie wollten rund 100 000 Menschen auf die Straße bringen. Nach der Kundgebung besetzten Demonstranten den Südflügel des Hauptbahnhofs. Die Polizei räumte später das Gebäude und brachte etwa 60 Besetzer heraus.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warb derweil für das Projekt. "Wir haben alle Gründe, uns für Stuttgart 21 einzusetzen", sagte sie am Samstag in Potsdam. Sie wertete die Verlegung des Bahnhofs unter die Erde und die Anbindung an die ICE- Schnelltrasse nach Ulm als wichtigen Baustein im europäischen Verkehrsnetz. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach sich für das Milliardenprojekt aus. "Wir können es uns nicht leisten, nach Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu rufen und dann gegen jede Bahnstrecke zu sein", sagte er dem "Weser-Kurier".

Schlichter Heiner Geißler kritisierte scharf die bisherigen Entscheidungsprozesse: "Staatliche Entscheidungen bei solch gravierenden Projekten ohne Einbindung der Bürger gehören dem vorherigen Jahrhundert an", sagte er der "Bild am Sonntag". Und: "Die Schlichtung ist ein deutliches Signal dafür, dass in Deutschland die Zeit der Basta-Entscheidungen vorbei ist."

Der Bahnhofsstreit prägte auch den Landesparteitag der baden-württembergischen SPD. Landeschef Nils Schmid kündigte an, er werde einen Volksentscheid durchsetzen, sollte er im nächsten Frühjahr zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Seine Partei drängte ihn zu einer härteren Gangart. Sie votierte für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum umstrittenen harten Polizeieinsatz Ende September. Schmid wollte ursprünglich darauf verzichten.

Sollte Stuttgart 21 kippen, kämen laut der Zeitung "Bild am Sonntag" auf die Bahn Kosten in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro zu. Die Bahn habe bereits 1,43 Milliarden Euro in das Projekt gesteckt. Bei einem Ausstieg müsste sie zusätzlich 1,8 Milliarden Euro in die Erneuerung des Gleisvorfeldes des bisherigen Bahnhofes investieren.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Bahnchef Rüdiger Grube vor, die Bemühungen des Schlichters Geißler zu torpedieren. "Offensichtlich glaubt Herr Grube, eine Schlichtung sei ein bisschen Beruhigungs-Heiteitei für die Gegner. Er eskaliert, provoziert, polarisiert." Die Bahn wies dies zurück: Grube setze "weiterhin auf Dialog und Argumente in der Sache". dpa

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