Gutachter belasten Polizei im Fall Jalloh

Berlin · Anfang 2005 starb Oury Jalloh aus Sierra Leone in einer Polizeiwache in Dessau. Er verbrannte bei einem Feuer in einer Zelle. Was genau geschah, ist bis heute ungeklärt. Nun gibt es neue Gutachten zu dem Fall.

Zehn Jahre nach dem Tod des Afrikaners Oury Jalloh in einer Dessauer Zelle halten neue Gutachten eine Beteiligung von Polizisten für wahrscheinlich. Es spreche wenig dafür, dass der Brand von Jalloh selbst gelegt wurde, sagten Gutachter aus England und Kanada gestern. Die Gutachter - zwei Brandsachverständige, ein Rechtsmediziner und ein Experte für Giftstoffe - fanden in den Unterlagen zu dem Fall aber auch keine Beweise für die Mordthese der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh". Diese sieht Polizisten als Täter. Sie hatte auch die neuen Gutachten in Auftrag gegeben.

Der Dessauer Staatsanwalt Olaf Braun wies darauf hin, dass derzeit ein weiteres Ermittlungsverfahren laufe. Man müsse sehen, wie die neuen Erkenntnisse zu den bisherigen Ermittlungen passten. Die Justiz hatte in mehreren Prozessen keine Anhaltspunkte für eine Fremdbeteiligung am Tod des Afrikaners im Januar 2005 gefunden. Was genau in der Polizeizelle passierte, ist bis heute ungeklärt. Fest steht nur, dass die Matratze brannte und der an Händen und Füßen gefesselte Jalloh in den Flammen umkam.

Die neuen Experten fanden es wenig nachvollziehbar, dass ein später gefundenes Feuerzeug bereits während des Brandes unter dem Opfer in der Zelle gelegen haben soll. Dann hätten Spuren von Gewebe oder Haut daran kleben müssen, sagten sie. Zudem deuteten der Verlauf und die Stärke des Feuers darauf hin, dass Brandbeschleuniger wie Benzin eine Rolle gespielt hätten, auch wenn davon keine Überreste gefunden worden seien. Der Toxikologe sagte, Jalloh sei so betrunken gewesen und habe zudem Marihuana und Kokain genommen gehabt, dass er rein motorisch kaum in der Lage gewesen sei, mit gefesselter Hand die Hülle der Matratze aufzureißen, ein Feuerzeug zu zücken und den Schaumstoff anzuzünden.

Im September 2014 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau bestätigt, demzufolge Jalloh die Matratze selbst in Brand gesteckt hat. Deshalb wurde lediglich der damalige Dienstleiter Andreas S. wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Mit dem Urteil des BGH war auch eine Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt worden. Wie Thomas Ndindah von der Gedenk-Initiative gestern sagte, planen Jallohs Angehörige nun eine Strafanzeige gegen die zuständige Staatsanwaltschaft wegen Behinderung der Ermittlungen.

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