Grünes Trio kämpft um Vorherrschaft

Berlin · Neben Anton Hofreiter und Robert Habeck bewirbt sich auch Parteichef Cem Özdemir als männlicher Spitzenkandidat der Grünen. Für den weiblichen Posten gibt es nur eine Anwärterin – das könnte sich noch ändern.

Das Rennen bei den Grünen um die männliche Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2017 wird spannend. Nach Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Robert Habeck und Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter hat jetzt auch der Parteivorsitzende Cem Özdemir seinen Hut in den Ring geworfen. Der Ausgang gilt als völlig offen.

"Ich habe mich entschieden", erklärte Özdemir am Wochenende in einem ARD-Interview. Er wolle Spitzenkandidat werden. "Die Umstände müssen passen. Die Themen müssen passen. In der Familie muss es passen. Das tut es jetzt", begründete Özdemir seinen Entschluss. Parteiintern hatte man schon länger damit gerechnet. "Die Themen laufen auf ihn zu und auch das politische Setting", heißt es in der Bundestagsfraktion. Als "anatolischer Schwabe" ist Özdemir tatsächlich ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Und die dürfte angesichts der vielen Flüchtlinge ein Dauerbrenner bleiben. Hinzu kommt der große Triumph von Özdemirs baden-württembergischem Grünen-Verband bei den Landtagswahlen im vergangenen März. In Stuttgart stehen die Zeichen bekanntlich auf Schwarz-Grün, und Özdemir hat nie einen Hehl aus seiner Sympathie für eine politische Versuchsanordnung mit der Union gemacht.

Ob das genug Argumente sind, um in einer zum Jahreswechsel anberaumten Urwahl der Parteibasis zu bestehen, ist allerdings offen. Schon vor rund einem Jahr hatte der grüne Landwirtschaftsminister aus Schleswig-Holstein, Robert Habeck , überraschend seine Kandidatur erklärt. Habeck ist kein ausgemachter Realo-Mann wie Özdemir. Eher so etwas wie ein Realo im linken Parteiflügel, der einen unkonventionellen Stil pflegt. Das könnte ihn für die Anhänger aller Parteiströmungen wählbar machen. Fraktionschef Hofreiter wiederum ist klar ein Vertreter der Partei-Linken. Ginge es nach klassischem Proporz, müsste ihm der Vortritt gebühren. Denn für das Frauen-Ticket bewirbt sich Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt . Sie zählt zum Realo-Lager. Özdemir geht also ein hohes Risiko ein, denn wenn er unterliegt, wäre er als Parteichef angeschlagen. Auch um seine Aussichten auf einen Posten in einer Bundesregierung mit grüner Beteiligung wäre es wenig rosig bestellt.

Die Unberechenbarkeit der grünen Basis hatte sich schon bei der Urwahl für die beiden Spitzenkandidaturen zur Bundestagswahl 2013 gezeigt. Am Ende setzte sich Jürgen Trittin vom linken Flügel durch. Er hatte keinen Gegenkandidaten. Bei den Frauen machte Katrin Göring-Eckardt das Rennen. Sie setzte sich damals gegen Renate Künast und Claudia Roth durch. Nach aktuellem Stand ist es anders herum: Nun kommen drei Bewerber auf den Männer-Posten, aber nur eine Bewerberin auf den Frauen-Platz.

Die Anmeldefrist für weitere Kandidaturen läuft allerdings erst Mitte Oktober ab. Bis dahin will sich noch Co-Parteichefin Simone Peter erklären. "Ich entscheide mich zu gegebener Zeit und werde das so wie Cem Özdemir von familiären Überlegungen abhängig machen und mich mit Parteifreunden beraten", sagte sie gestern unserer Zeitung. Der Druck auf Peter ist gewachsen, nachdem sich Özdemir entschieden hat. Wegen ihrer eher blassen Ausstrahlung werden der Parteilinken intern allerdings kaum Erfolgschancen eingeräumt.

Meinung:

Im Höhenrausch

Von SZ-Korrespondent Stefan Vetter

In den meisten Bundesländern sitzen die Grünen am Regierungstisch. Da ist es menschlich, wenn sie auf einen Coup im Bund sinnen. Schon länger laufen sich grüne Promis für die Spitzenkandidatur warm. Die Aussicht auf einen Spitzen-Posten in einer nächsten Bundesregierung ist verlockend. Dabei müsste die Partei gewarnt sein. Seit 2005 hat es für Rot-Grün nicht mehr gereicht. Deshalb aber nur noch "Schwarz" zu sehen, wie es Özdemirs Antreten symbolisiert, könnte sich als Enttäuschung entpuppen. Die Union besteht nicht nur aus der CDU , mit der man wohl klar käme. Das Problem ist die CSU . Die hat die Grünen gerade zum größten Konkurrenten erklärt.

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