Grüne trotzen der Piraten-Gefahr

Lübeck. Die junge Gefahr tagt nur 60 Kilometer weiter im Westen. Aber die Grünen wollen sich nicht irre machen lassen von den Piraten und deren Erfolgen bei Wahlen und in Umfragen

 Claudia Roth hat beim Parteitag in Lübeck vor allem die Regierung angegriffen. Foto: dpa

Claudia Roth hat beim Parteitag in Lübeck vor allem die Regierung angegriffen. Foto: dpa

Lübeck. Die junge Gefahr tagt nur 60 Kilometer weiter im Westen. Aber die Grünen wollen sich nicht irre machen lassen von den Piraten und deren Erfolgen bei Wahlen und in Umfragen. Während sich diese auf ihrem Bundesparteitag in Neumünster eine neue Führung geben, schwören sich die Grünen am Samstag bei ihrem kleinen Parteitag in Lübeck auf die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ein: Mitregieren wollen sie, Rot-Grün in Düsseldorf bewahren, Schwarz-Gelb an der Förde beenden und im Bund 2013 auch.Kämpferisch zeigen sich die Grünen. Parteichefin Claudia Roth keilt gegen die Bundesregierung - gegen das Betreuungsgeld, die Energie- und die Europapolitik und gegen die Liberalen sowieso. Schwarz-Gelb nennt sie das "Biotop der faulsten Kompromisse und des Abschieds von Politik". Die Botschaft: "Nur Grün macht den Unterschied" - deshalb ran an die Macht. Aber so leicht zu greifen, wie es mal schien, ist sie nicht mehr.

Gut ein Jahr ist es her, dass die Grünen in einem nie gekannten Umfragehoch schwebten. Stuttgart 21, die Atomkatastrophe von Fukushima, der Baden-Württemberger Winfried Kretschmann als erster grüner Ministerpräsident - die Republik ergrünte. Einige sahen die Partei schon als neue Volkspartei. Aber dann kam der Sinkflug für die derzeit drittstärkste Kraft im Bund. Aus 28 Prozent in der Spitze wurden aktuell 12 Prozent, und die Piraten sind auf Überholkurs. "Werden die Grünen überflüssig?", fragte jüngst der "Focus" seine Leser.

"Jedem Hype folgt die Phase der Ernüchterung", sagt der schleswig-holsteinische Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz in Lübeck. "Wir stehen ja gut da." Stimmt ja irgendwie auch. Die Grünen sind erstmals in allen Landesparlamenten vertreten und regieren in vier Bundesländern mit. In Nordrhein-Westfalen dürfte das auch nach der Wahl am 13. Mai so bleiben, wenn man den Umfragen glaubt. Und mit der Schleswig-Holstein-Wahl am nächsten Sonntag könnte die Partei in eine fünfte Landesregierung einziehen.

Allerdings könnten diesem Ziel große Koalitionen in die Quere kommen - und die Piraten könnten das befeuern. "Jede Stimme, die an die Piraten geht, ist eine für die große Koalition", sagt die grüne Landtagsabgeordnete Andrea Asch aus Nordrhein-Westfalen. "Sie sind ein Machtfaktor."

Bei allem Frust, allem Gefühl von Ungerechtigkeit, das manche Grüne angesichts der Umfragewerte beschleichen mag: Die Auseinandersetzung mit den Piraten weckt Kampfeslust. Die Piraten sollen endlich Gesicht zeigen, und dann können sie nicht mehr mithalten, so die Haltung. "In allen inhaltlichen Konzepten sind wir konkreter und besser aufgestellt", sagt von Notz. Parteichefin Roth heißt die Piratenjungs willkommen an Bord - um gleich zu sticheln: "Frauen gibt's ja nicht so viele." In Richtung Neumünster ruft Roth: "Ich möchte mich mit euch streiten können und nicht immer Watte boxen."

 Claudia Roth hat beim Parteitag in Lübeck vor allem die Regierung angegriffen. Foto: dpa

Claudia Roth hat beim Parteitag in Lübeck vor allem die Regierung angegriffen. Foto: dpa

Anders als die Piraten segeln die Grünen nicht, sie reiten zum Wahlerfolg - und machen Ponywerbung. Die nicht ganz ernst gemeinte Wahlkampfidee hat ihnen FDP-Parteichef Philipp Rösler beschert, als er behauptete, die Grünen wollten Ponywerbung verbieten - gemeint hatte er Ponyreiten. Die Netzgemeinde johlte, die Grünen griffen den Lapsus dankbar auf. "Die Grünen setzen im Wahlkampf nun verstärkt auf Ponywerbung", kündigte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck auf Twitter an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort