Nach schlechten Umfrageergebnissen Union ringt um künftige Strategie

Berlin · In Umfragen von den Grünen überholt: Das will die CDU nicht auf sich sitzen lassen. Neben inhaltlicher Profilierung geht es auch um die Kernfrage: Wer soll Angela Merkels Nachfolge antreten?

 Entscheidende Akteure in turbulenten Zeiten: (v.l.) CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Armin Laschet, Vize-Bundesvorsitzender der CDU.

Entscheidende Akteure in turbulenten Zeiten: (v.l.) CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Armin Laschet, Vize-Bundesvorsitzender der CDU.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Was tun als Volkspartei, um nicht weiter in der Wählergunst abzusacken? CDU-Vize Armin Laschet hat Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer angesichts schwacher Wahlergebnisse und mieser Umfragewerte davor gewarnt, den Mitte-Kurs der Kanzlerin aufzugeben. „Das Erfolgsrezept der CDU in der Kanzlerschaft von Angela Merkel war nicht zuletzt, Probleme pragmatisch zu lösen und über die CDU-Stammwähler hinaus viele Bürger anzusprechen. Daran sollten wir festhalten“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident der „Welt am Sonntag“ auf die Frage, ob die CDU sich zu sehr von Merkel wegbewegt habe und ob dies ein Fehler sei.

Kramp-Karrenbauer ist nach dem Rückzug Merkels seit gut einem halben Jahr CDU-Chefin und hatte sich mit konservativen Signalen von der Vorgängerin abgesetzt. Zum Erstarken der Partei hat das nicht geführt, im Gegenteil. Bei der Europawahl schnitt die Union historisch schlecht ab, in aktuellen Umfragen haben die Grünen die Union eingeholt oder gar überholt. Das Emnid-Institut ermittelte für die „Bild am Sonntag“ („BamS“) jeweils 27 Prozent für beide, im Forsa-Trendbarometer von RTL und n-tv haben die Grünen mit 27 Prozent gegenüber der Union mit 24 Prozent die Nase vorn.

Laschet bekannte sich zum Fortbestand des Regierungsbündnisses mit der SPD. „Die große Koalition hat besser gearbeitet, als viele Bürger es wahrnehmen“, befand der 58-Jährige. Wenn sie „gute Arbeit“ abliefere, könne ein Stimmungsumschwung gelingen. Aber auch Kramp-Karrenbauer befand in der „BamS“, „dass diese Koalition mehr Potenzial und Lebensfähigkeit hat, als mancher glaubt“.

Dass die Koalition weiterregieren soll, entspricht auch der Stimmungslage vieler Bürger. Im ­RTL/n-tv-Trendbarometer von Forsa sagen 59 Prozent der Befragten, die Groko sollte weitermachen. Nur 33 Prozent wünschen sich ihr vorzeitiges Ende.

Beim Thema Solidaritätszuschlag setzt Laschet einen anderen Akzent als die Parteichefin. Kramp-Karrenbauer wirbt für den kompletten Abbau des Zuschlags, Laschet ist zurückhaltender. „Es wäre gut, wenn wir in dieser Wahlperiode endlich eine erste Entscheidung dazu treffen und beginnen, etwas umzusetzen, was wir seit 30 Jahren versprechen.“ Im Koalitionsvertrag für diese Wahlperiode ist die Soli-Abschaffung für 90 Prozent der Zahler vereinbart.

Laschet zählt zu den politischen Schwergewichten in der Partei. Nach Merkels Rücktritt wurden auch ihm Ambitionen auf den CDU-Vorsitz nachgesagt, er winkte aber ab. Kramp-Karrenbauer setzte sich dann gegen Friedrich Merz durch. Damit ist aus seiner Sicht aber noch nicht über die nächste Kanzlerkandidatur entschieden: „Annegret Kramp-Karrenbauer hat vorgeschlagen, die Kanzlerkandidatur auf dem CDU-Parteitag Ende 2020 zu entscheiden. Ende 2020 ist nicht heute und nicht jetzt“, sagte Laschet.

Der CDU-Vize ließ offen, ob er selbst für eine Kanzlerkandidatur zur Verfügung steht: „Diese Frage steht zurzeit nicht an. Ich bin intensiv mit meiner Aufgabe in Nordrhein-Westfalen beschäftigt und konzentriere mich mit der FDP darauf, unser Land voranzubringen.“ Auf die Frage, ob das Experiment der Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz gescheitert sei, sagte Laschet: „Es kann erfolgreich sein.“

Auch Merz könnte eine Kanzlerkandidatur anstreben. Unter denkbaren Unionskandidaten hätte er nach einer Erhebung von Kantar Emnid für „Focus“ größere Chancen als Kramp-Karrenbauer. Bei der Frage, wen die Bürger zum Kanzler wählen würden, kommt er auf 31 Prozent, Kramp-Karrenbauer auf 16 und Laschet auf 11 Prozent. Bei Unionsanhängern läge Merz mit 32 Prozent knapp vor Kramp-Karrenbauer mit 28 und klar vor Laschet mit neun Prozent. Gegenüber Grünen-Chef Robert Habeck schneidet Kramp-Karrenbauer schlechter ab (34 zu 21 Prozent), wie das RTL/n-tv-Trendbarometer ergab.

Vor allem beim Thema Klimaschutz will die CDU-Chefin das Profil ihrer Partei schärfen. Andere CDU-Politiker warnten davor, den Grünen hinterherzulaufen. Junge-Union-Chef Tilman Kuban sagte der „Passauer Neuen Presse“, der Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem sei Alleinstellungsmerkmal der Union.

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