Griechenland verzweifelt an Flüchtlingsströmen

Athen. Griechenland ruft um Hilfe: Das Land wird mit dem wachsenden Strom illegaler Flüchtlinge über die türkische Grenze nicht mehr fertig. Athen habe deshalb Einsatzkräfte der EU-Grenzschutzbehörde Frontex angefordert

 Flüchtlinge demonstrieren in Athen gegen ihre Behandlung. Sie beklagen Rechtlosigkeit und Obdachlosigkeit. Foto: dpa

Flüchtlinge demonstrieren in Athen gegen ihre Behandlung. Sie beklagen Rechtlosigkeit und Obdachlosigkeit. Foto: dpa

Athen. Griechenland ruft um Hilfe: Das Land wird mit dem wachsenden Strom illegaler Flüchtlinge über die türkische Grenze nicht mehr fertig. Athen habe deshalb Einsatzkräfte der EU-Grenzschutzbehörde Frontex angefordert. Die Grenzschützer sollen Griechenland bei der Kontrolle der Landgrenze zur Türkei helfen und Flüchtlinge in die Auffanglager bringen - das Zurückweisen der Menschen an der Grenze gehöre nicht dazu, betonte gestern ein Sprecher der EU-Kommission.

Die Lage in Griechenland ist alarmierend. Mehr als 80 Prozent der illegalen Einwanderer in die EU reisen inzwischen über Griechenland ein. Jeden Tag würden Hunderte über die türkisch-griechische Grenze die EU erreichen, vor allem über den 12,5 Kilometer langen Abschnitt am Grenzfluss Evros, der bislang nicht überwacht wird. "Griechenland ist offenkundig nicht mehr in der Lage, mit dieser Situation alleine fertig zu werden", schrieb EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström.

Die Massenflucht ist Folge der strengen Kontrollen im Mittelmeer: Während Flüchtlinge aus Afrika bislang vor allem mit Booten von Libyen aus über das Mittelmeer in die EU gelangten, kommen sie inzwischen über die Türkei. Dabei handelt es sich vor allem um Afrikaner, Afghanen, Pakistani und Iraker.

Die Flüchtlinge treffen auf chaotische Zustände. Das Asylsystem ist nach Überzeugung von Menschenrechtsorganisationen völlig zusammengebrochen. Athen gewährt kaum Asyl, die Anerkennungsquote liegt bei unter einem Prozent. Die Abgelehnten bekommen ein Papier, indem es heißt: "Sie haben einen Monat Zeit, das Land zu verlassen." Wie und wohin, wissen die wenigsten.

Ghettos in AthenDie Folgen für die Gestrandeten: Rechtlosigkeit, Gefahr der Inhaftierung, Obdachlosigkeit und Hunger. In den wenigen Aufnahmelagern ist die Situation chaotisch. In den westgriechischen Häfen von Patras und Igoumenitsa leben hunderte Menschen in Elendsbaracken. In Athen haben sich Ghettos gebildet, in denen tausende verzweifelter Menschen hausen. Sie müssen betteln, um zu überleben.

Mittlerweile sind auch die Vereinten Nationen überzeugt: Griechenland kann das Problem nicht alleine lösen. Die EU müsse ihre Einwanderungspolitik überdenken, verlangte UN-Menschenrechtsexperte Manfred Nowak. Dazu gehöre auch die europäische Asylzuständigkeitsregelung, die vorsieht, dass Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen müssen, in dem sie als erstes ankommen.

Diese Regelung steht auch beim Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand. Die Karlsruher Richter verhandeln am Donnerstag über den Fall eines irakischen Asylbewerbers, der sich gegen eine Abschiebung nach Griechenland wehrt, weil er die Bearbeitung von Asylanträgen und die Versorgung von Flüchtlingen dort für völlig unzureichend hält. Die Tatsache, dass die Verfassungsrichter den Fall in mündlicher Verhandlung erörtern, zeigt, dass man in Karlsruhe die Bedenken durchaus ernst nimmt. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort