Griechenland steht vor Neuwahlen

Brüssel · In Griechenland wird es vorgezogene Wahlen geben. Regierungschef Tsipras erklärte gestern Abend seinen Rücktritt. Doch zuvor überraschte er die Euro-Partner noch einmal mit einem geschickten Schachzug.

Die Überweisung traf gestern um kurz vor 9 Uhr in Athen ein: 23 Milliarden Euro, die erste Rate des dritten Hilfspaketes. Doch schon wenige Stunden später war der Großteil wieder weg: Abgesehen von zehn Milliarden Euro zur Sanierung der hellenischen Banken auf einem Sperrkonto hat Griechenland wie vereinbart seine fälligen Schulden beglichen: 3,2 Milliarden erhielt die Europäische Zentralbank (EZB) - plus 200 Millionen an Zinsen. 7,16 Milliarden gingen dahin, wo das Geld herkam: an den europäischen Krisenmechanismus ESM. Man zahlte jenen Überbrückungskredit zurück, der in den vergangenen Wochen vorgestreckt worden war.

Die Hellenen könnten erst einmal aufatmen. Doch diese Zeit bleibt ihnen nicht. Nach wochenlangen Spekulationen trat Regierungschef Alexis Tsipras gestern Abend zurück und machte den Weg zu Neuwahlen frei. Sie sollen am 20. September stattfinden. Tsipras sagte, jetzt wo das neue Hilfspaket unter Dach und Fach sei, brauche er ein neues "starkes Mandat" der Bürger, damit er demnächst Verhandlungen über eine Umstrukturierung des griechischen Schuldenbergs führen könne.

Vor seinem Rücktritt überraschte Tsipras die EU-Partner allerdings noch mit einem neuen Coup: In einem Brief an den Präsidenten des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz , forderte er "die direkte und vollständige Einbindung des Europäischen Parlamentes - als fünften Akteur im Kontext des sogenannten Gläubigerquartetts - in den regelmäßigen Überprüfungsprozess zur Umsetzung des Kreditabkommens". Schließlich sei die Volksvertretung "die einzige europäische Institution mit direktem Mandat der Bevölkerung". Schulz habe "positiv" reagiert, hieß es in Athen.

Der elitäre Kreis der einstigen Troika aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) war bereits durch das dritte Hilfspaket um Experten des ESM erweitert worden. Nach dem Willen von Tsipras soll daraus ein Quintett werden. Damit trifft er die Stimmung unter den EU-Abgeordneten. Sie monieren seit Langem, dass die Geldgeber praktisch ohne demokratische Kontrolle gegenüber Athen auftreten können. Tsipras' Kalkül: Er kann davon ausgehen, dass die europäischen Volksvertreter eine weichere Linie einschlagen dürften und somit einen Gegenpol zum strengen IWF einnehmen würden.

Meinung:

Fataler Schritt

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

An Neuwahlen in Griechenland führt kein Weg vorbei. Innerhalb von gerade mal acht Monaten hat sich Alexis Tsipras vom lautstarken Gegner aller Reformauflagen der Geldgeber zu deren Verteidiger entwickelt. Der Regierungschef musste das Wort brechen, das er seinen Wählern gab. Demokratisch macht er mit Neuwahlen alles richtig, politisch ist der Schritt dennoch fatal. Die Vorstellung, es könne zu einem erneuten Machtwechsel kommen, am Ende gar zu einer Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die Gegner des jetzigen Abkommens mit dem Euro-Raum, ist einfach nur erschreckend - und schädlich. Denn für potenzielle Investoren bedeutet das nur weitere Unsicherheit und Ungewissheit.

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