Gipfel der Symbole

Angela Merkel macht daraus keine Glaubensfrage. "Das war ein sehr bewegender Moment", sagt sie über den Besuch des Ise-Jingu. Bevor die Staats- und Regierungschefs zwei Tage über Krisen , Kriege und Konzepte beraten, führt Gipfel-Gastgeber Shinzo Abe die mächtigen Politiker am Donnerstag als erstes zu diesem Heiligtum der japanischen Ur-Religion Shinto. Der Ise-Jingu ist der heiligste aller etwa 80 000 Schreine im Land. Seit mehr als einem Jahrtausend wird hier die Sonnengöttin Amaterasu verehrt - Japans Schutzgottheit.

Ein symbolträchtiger Auftakt des G7-Gipfels in Ise-Shima, der wohl vor allem ein Zeichen an die eigene Bevölkerung ist. Kritiker beklagen das als nationalistisch. Merkel findet es hingegen "sehr schön", dass sie ein Stück der Kultur des Landes zu sehen bekommen hat.

Bei den Treffen dieses westlichen Werteklubs der Industrienationen USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Kanada und Deutschland zählen oft die Symbole, Signale, Botschaften. Es ist kein Beschluss-, sondern eher ein Appell-Gremium. Oft gibt es nur weiche - in der Diplomatensprache "ausbalancierte" - Formulierungen, damit alle damit leben können.

Jeder Einzelne von ihnen - Abe, US-Präsident Barack Obama , die Premiers von Kanada, Großbritannien und Italien, Justin Trudeau, David Cameron und Matteo Renzi, Frankreichs Staatschef François Hollande und Merkel - muss Kompromisse machen. Und sie sind in diesem Jahr alle nicht in stärkster Verfassung.

Obama scheidet bald aus dem Amt, Trudeau ist noch neu in der Runde, Abes Wirtschaftsreformen greifen nicht wie geplant, Cameron steht ein Referendum über einen EU-Austritt bevor, Hollandes Rückhalt im eigenen Land ist dürftig, und Merkel steht innenpolitisch ungebrochen wegen der Flüchtlingskrise unter Druck. Nur Renzi wirkt dagegen recht stabil. Abe bekommt zwar in der Abschlusserklärung einen Passus über eine wirtschaftspolitische Initiative zur Ankurbelung der Weltwirtschaft, aber die Maßnahmen sind unkonkret. Dafür stützt der Gipfel Japan bei seinen Inselstreitigkeiten mit China im Ost- und Südchinesischen Meer. Eine heikle Gemengelage. Und Merkels wichtigstes Thema, die Flüchtlingskrise, spielt zwar eine Rolle, aber nur mit sehr allgemeinen Appellen, die internationalen Organisationen müssten finanziell mehr tun.

Mit Obama sprechen sie abermals über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU. Er wird die Umsetzung nicht mehr im Amt erleben. Er möchte aber die Verhandlungen darüber zu Ende bringen, damit es von 2017 an ratifiziert werden kann. Wegen des großen Widerstands der Bürger in Europa ist aber auch noch ein Scheitern möglich.

Eigentlich dienen diese Gipfel vor allem diesem Zweck: Verständnis füreinander und Vertrauen zueinander aufzubauen. Seitdem Russland wegen der Annexion der Krim 2014 aus dem Kreis rausflog und aus G8 wieder G7 wurde, sei das einfacher geworden, heißt es in Gipfel-Kreisen. Andererseits wird es als Problem empfunden, dass Kremlchef Wladimir Putin eben nicht mehr mit am Tisch sitzt. Denn bei großen Krisen wie dem Syrien-Krieg fehlt nun der Dialog im kleinen Kreis mit ihm. Und ohne Russland wird es hier keine Lösung geben.

Eine Besonderheit hat dieser Gipfel in Japan aber noch aus deutscher Sicht. Die Kanzlerin wird von ihrem Mann Joachim Sauer begleitet, dem öffentlichkeitsscheuen Chemieprofessor, der noch nie zu einem Gipfel im Ausland mitgekommen war. Während seine Frau Weltpolitik macht, fährt Sauer mit den Partnerinnen einiger Gipfelchefs auf eine Insel. Ise-Shima ist bekannt für industrielle Perlenzucht, es gibt aber auch noch traditionelle Taucherinnen , die minutenlang, ohne Luft zu holen, im Wasser nach Muscheln suchen. Auch Merkel hat bekanntlich einen langen Atem. Ob sie am Ende eine Perle bekommt?

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Hintergrund Die G 7 sind eigentlich G 9: Neben den Staats- und Regierungschefs der sieben Mitgliedstaaten (USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan) nehmen traditionell auch Spitzenpolitiker der Europäischen Union teil. In diesem Jahr sind das EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker . dpa

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