„Gift und Galle“ gegen den Papst

Rom · Schon kurz nach seiner Wahl hieß es aus Insiderkreisen, im Vatikan sei man alles andere als glücklich mit Franziskus. Der aber bleibt sich treu und bringt die Hardliner in der Kirche auf die Palme.

In drei Wochen kommen die katholischen Bischöfe aus aller Welt im Vatikan zusammen, um bei der Synode über den künftigen Kurs ihrer Kirche zu diskutieren. In der Kurie, dem bürokratischen Apparat des Papstes, wird unterdessen Gift und Galle gegen Franziskus gespuckt. Dort zirkuliert ein Dossier, das dieser Zeitung vorliegt und in dem die jüngsten "Sünden" des Papstes systematisch aufgelistet werden. Mancher Prälat verspürt gar physische Aggressionen gegen den Pontifex und teilt das unter dem Schutz der Anonymität auch mit.

Der Auslöser für das, was man getrost als Vorbereitung eines organisierten Widerstandes gegen Franziskus bezeichnen kann, ist der jüngste Gesetzeserlass des 78 Jahre alten Argentiniers. Mit seinem am vergangenen Dienstag veröffentlichten Motu Proprio (aus eigenem Antrieb), das den lateinischen Titel Mitis Iudex Dominus trägt, hat er die Kirche vor vollendete Tatsachen gestellt.

Sichtbar wird der Zorn der Kurie in einem schneidend formulierten Dossier, das dieser Tage in den wichtigsten Büros im Vatikan verbreitet wird. Darin wird das Gesetz zur Erleichterung der Ehenichtigkeits-Prozesse juristisch in seine Einzelteile zerpflückt. Die Hauptvorwürfe lauten, der Papst habe die bei einer für die Kirche derart essenziellen Materie zuständigen Gremien umgangen und de facto die "katholische Scheidung" eingeführt. Von einer "bedenklichen Entwicklung" ist in dem siebenseitigen Schreiben die Rede, das geregelte Verfahren der Gesetzgebung in der Universalkirche sei "ausgehebelt" worden. Die meisten Sicherungen im Eheprozess seien wissentlich "ausgeschaltet" worden.

Insbesondere die Einführung eines Eilverfahrens unter Aufsicht des Bischofs zur Feststellung der Ehenichtigkeit macht den Kritikern des Papstes zu schaffen. Sollte es nun wie von den Papst-Gegnern befürchtet zu einer Schwemme von Nichtigkeitserklärungen kommen, wäre das Problem der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten praktisch beseitigt. Sie können fortan problemlos aus ihrer katholischen, eigentlich für die Ewigkeit geschlossenen Ehe, aussteigen. Per päpstlichem Dekret. Für die Bewahrer der Doktrin wie den deutschen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller , kommt das einem Super-Gau gleich.

Auch auf Müllers Tisch liegt die inoffizielle Anklageschrift gegen Franziskus. Die Bedeutung der Ehe, insbesondere der Umgang mit geschiedenen Eheleuten, die erneut zivil heiraten, ist das Epizentrum der Debatte um den künftigen Kurs der Kirche. Die Unauflöslichkeit der katholischen Ehe ist das Dogma, an das sich konservative Geistliche festklammern. Sie fürchten, dass das ganze Gebäude in sich zusammenbricht, wenn man eines der Fundamente beseitigt. Es geht aus ihrer Sicht um nicht weniger als das Fortbestehen der wahren katholischen Kirche. Die am 4. Oktober beginnende Synode droht nach dem Motu Proprio zu einem um sich selbst kreisenden Debattierclub zu verkommen. Der Papst, so der Tenor, entscheidet sowieso nach Gutdünken.

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