Gibt es ein neues „Vatileaks“?

Rom · Mit Spannung wartet man in Rom auf die Veröffentlichung von zwei neuen Büchern mit vertraulichem Material aus dem Kirchenstaat. Bei der Suche nach den Informanten scheint der Vatikan fündig geworden zu sein.

Die Parallelen sind verblüffend. Ein Monsignore sitzt in diesen Tagen in einer Gefängniszelle der Vatikangendarmerie. Genau dort, wo im Mai 2012 auch der untreu gewordene Kammerdiener Paolo Gabriele festgehalten wurde. Wie damals geht es um den Vorwurf der Weitergabe von Geheimdokumenten aus dem Vatikan. Gestern bestätigte der Vatikan die Festnahme von Monsignore Lucio Angel Vallejo Balda sowie von Francesca Chaouqui, einer 32 Jahre alten PR-Agentin, die für den Vatikan arbeitete. Die Verhaftungen stehen offensichtlich im Zusammenhang mit dem Erscheinen zweier Enthüllungsbücher über den Machtkampf um die Vatikanfinanzen in dieser Woche. Darunter ist auch Gianluigi Nuzzis Buch "Alles muss ans Licht: das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes". Schon ist in Rom von einem zweiten "Vatileaks" die Rede.

Die beiden Verdächtigen im neuen Fall hatten wichtige Funktionen bei dem Versuch der Neuordnung der Vatikanfinanzen. Der Spanier Vallejo Balda war Sekretär der Präfektur für die Ökonomischen Angelegenheiten und wurde von Papst Franziskus als Mitglied der Cosea-Kommission nominiert, die seit Sommer 2013 die Finanzen des Kirchenstaates durchleuchtet und Vorschläge für ihre Neuorganisation erarbeiten sollte. Nach Aussage von PR-Expertin Chaouqui war es Vallejo Balda selbst, der ihr den Weg in die Kommission ebnete. Mit Nuzzi sei sie befreundet, gestand Chaouqui. Während der spanische Monsignore weiter einsitzt, wurde Chaouqui angesichts ihrer Bereitschaft zur Kooperation freigelassen, teilte der Vatikan mit.

Nuzzi, dessen Buch intensiv beworben wird, gibt an, zu "tausenden von Dokumenten" aus dem Vatikan Zugang gehabt zu haben. "Sie zeugen von einer unglaublichen Geldverschwendung durch die Kirchenführung", heißt es in einer Presseerklärung des Ecowin-Verlags. Martialisch ist die Rede von einem "Krieg, der hinter den hohen Mauern des Vatikan tobt, eines Krieges, der sich auch gegen den amtierenden Papst Franziskus und dessen Vorhaben richtet, die Kirche wieder zu einer Kirche der Bedürftigen zu machen".

Machtkämpfe bei der Neuordnung der Vatikanfinanzen sind bekannt. Als Folge der Vorschläge der Cosea-Kommission wurde das Sekretariat für Wirtschaft mit dem australischen Kardinal George Pell gegründet. Über dessen Zuständigkeiten gab es Streitigkeiten unter anderem mit dem vatikanischen Staatssekretariat. Die Cosea-Kommission wurde nach Beendigung ihrer Arbeit aufgelöst. Nuzzis These ist, dass die alten Führungskader im Vatikan auch die wichtige finanzielle Neuordnung im Vatikan behindern und sich so Franziskus entgegen stellen.

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