Gespaltenes Gedenken an Opfer von Flug MH17
Nieuwegein · 298 Menschen verloren vor einem Jahr ihr Leben, als ihr Flugzeug über der Ukraine abgeschossen wurde. Weltweit wurde gestern der Opfer gedacht. Doch die Erinnerung ist von Schuldzuweisungen geprägt.
Ein Jahr nach dem Abschuss eines Malaysia-Airlines-Flugzeugs über dem umkämpften Osten der Ukraine ist gestern der 298 Opfer der Katastrophe gedacht worden. In den Niederlanden, woher die meisten Toten stammten, wehten die Fahnen auf Halbmast. 1600 Angehörige und Freunde der Opfer versammelten sich am Nachmittag im niederländischen Nieuwegein zu einer Gedenkfeier. Ministerpräsident Mark Rutte , der ebenso wie andere Politiker teilnahm, sagte, er denke "noch jeden Tag" an die Katastrophe. In Australien enthüllte Premierminister Tony Abbott eine Gedenkplakette in Gegenwart von 120 Angehörigen der 38 australischen Opfer von Flug MH17. Als die lächelnden Gesichter der Toten auf einer Leinwand eingeblendet wurden, kamen vielen Hinterbliebenen die Tränen.
Die Boeing 777 war am 17. Juli 2014 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über der Ostukraine wahrscheinlich mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden. Während Moskau und die Separatisten der ukrainischen Armee die Schuld für den Abschuss geben, machen die Regierung in Kiew und der Westen die Rebellen dafür verantwortlich. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko forderte die Bestrafung der "Mörder ". Es sei eine "moralische Pflicht" zu Ehren der Gestorbenen, den Schuldigen eine "faire Strafe" zuteil werden zu lassen. Mit Blick auf Russland sagte er, der Abschuss wäre nicht geschehen "ohne die Beteiligung, ohne einen direkten Befehl von höchster politischer und militärischer Ebene im Nachbarstaat".
Zugleich gedachten 200 ukrainische Dorfbewohner an der Absturzstelle der Opfer. Organisiert wurde die Veranstaltung von prorussischen Separatisten . Deren Anführer Alexander Sachartschenko sagte, die Rebellen seien bereit, "jede nötige Hilfe bereitzustellen", damit bewiesen werden könne, dass die "kriminelle ukrainische Führung die Verantwortung für diese Tragödie trägt".
Das Magazin "Der Spiegel" berichtete gestern, das internationale Ermittlerteam komme zu dem Schluss, dass eine Luftabwehrrakete vom Typ Buk-M1 das Flugzeug getroffen habe. Dies zeigten Splitter des Gefechtskopfs einer Buk-M1 in den Wrackteilen. Sowohl die Separatisten als auch die Armee verfügen über Buk-M1-Raketensysteme. Laut "Spiegel" wurden aber Telefongespräche als authentisch bewertet, in denen Separatisten den Abschuss eines Flugzeugs meldeten.
Poroschenko forderte gestern erneut ein UN-Sondertribunal, das den Abschuss untersuchen soll. Die Niederlande und Malaysia hatten diesen Vorschlag aufgebracht. Auch Großbritannien sprach sich dafür aus. Den "298 Unschuldigen" müsse Gerechtigkeit widerfahren, erklärte Außenminister Philip Hammond. Die Grünen-Politikerin Marieluise Beck rief die Bundesregierung auf, diese Forderung ebenfalls zu unterstützen. Der Linken-Abgeordnete Alexander Neusprach sich dagegen aus. Ein UN-Tribunal würde parallel zur laufenden Untersuchung ermitteln.
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HintergrundIn Australien ist ein Video aufgetaucht, dass wohl unmittelbar nach dem Abschuss von Flug MH17 in der Ostukraine entstanden ist. Die Aufnahme, die der "Daily Telegraph" gestern präsentierte, zeigen noch qualmende Wrachteile der am 17. Juli 2014 abgeschossenen Boing 777. Im Bild sind Männer in Tarnanzügen samt Marken der prorussischen Separatisten zu sehen. Einge erschrecken offenbar, als sie feststellen, dass es sich beim Flugzeug um eine Passagiermaschine gehandelt hat. Andere durchwühlen Koffer und Taschen und verstreuen deren Inhalte auf dem Boden. afp