Gericht spricht Mubarak frei

Kairo · Ein Kairoer Gericht stellt den Prozess gegen Langzeitmachthaber Mubarak ein. Die einstigen Revolutionäre ziehen wie Anfang 2011 mit Wut im Bauch zum Tahrir-Platz. Zwei Menschen werden dabei getötet.

Mit steinerner Miene trat der 2011 gestürzte Diktator Ägyptens, Hosni Mubarak, seinen Weg zurück ins Militärkrankenhaus an. Kurz zuvor hatte ein Kairoer Berufungsgericht den 86-Jährigen vom Vorwurf der Beihilfe zum hundertfachen Mord freigesprochen und die Verurteilung zu lebenslanger Haft in erster Instanz vom Juni 2012 wegen "politischer Motivation" verworfen. Womöglich könnte er nun trotz seiner Verurteilung wegen Korruption sogar schon bald freikommen. Mubarak sei für den Tod von 800 Demonstranten Anfang 2011 nicht verantwortlich, ebensowenig sein mitangeklagter damaliger Innenminister Habib al-Adli, sowie sechs führende Sicherheitsoffiziere. Das Verfahren, das erste seiner Art in der arabischen Welt gegen einen gestürzten Despoten, entglitt so zur Farce.

Er habe "nichts falsch gemacht", verteidigte sich der kränkliche Greis in einem anschließenden Telefongespräch. Ägyptens neue Diktatur hat den alten Diktator rehabilitiert.

Doch die zornigen Massen, die am 11. Februar nach nur elf Tagen der Proteste den "Pharao" von der Macht gejagt hatten, blieben nun aus. Höchstens 3000 Menschen wagten es am Wochenende, gegen das Urteil zu protestieren. Politische Analysten überrascht das nicht. Die Begründung mangelnder Beweise sei glaubhaft, da regimetreue Kreise genügend Zeit gehabt hätten, alle relevanten Unterlagen zu vernichten, meint der Menschenrechtsaktivist Said Sadek. Zudem spiegelt das Urteil den Stimmungswandel am Nil.

Das Militär hatte Mubarak im Februar 2011 erstaunlich rasch fallengelassen, um den Volkszorn voll auf Mubarak zu lenken und so die Allianz zwischen den Streitkräften und einflussreichen Clans nicht zu gefährden. Mubarak wollte mit der Tradition brechen und seinen Sohn Gamal - und nicht einen Offizier - zu seinem Nachfolger küren. Eine Allianz mit der Moslembruderschaft unter Präsident Mohammed Mursi sollte den Streitkräften ihre Privilegien sichern. Doch Mursis Herrschaft trieb das Land an den Rand des Bürgerkrieges. Das Schreckgespenst einer islamistischen Diktatur quält bis heute die eine Hälfte Ägyptens, während der heutige Präsident Abdel Fattah al-Sisi die andere mit einer Brutalität verfolgt, die selbst Mubarak in den Schatten stellt.

Meinung:

Das Töten geht weiter

Von Birgit Cerha

Das Kairoer Gericht hat mit der Freilassung Mubaraks der ägyptischen Revolution den Todesstoß versetzt. Niemand muss also die Verantwortung für den gewaltsamen Tod von etwa 800 Menschen tragen. Dass der alten Garde die Tore von Macht und deren Missbrauch nun wieder offenstehen, mag das geringere Übel sein. Das Urteil lässt vielmehr fürchten, dass Gerechtigkeit im neuen Ägypten ebenso wenig Platz hat wie in jenem des Diktators. Die Justiz und die Polizei bleiben ihre Machtinstrumente. Gerade die als "Hüter der Nation" im Krieg gegen die Islamisten gefeierten Sicherheitskräfte werden sich durch das Urteil in ihren Aggressionen bestärkt fühlen - und das Töten geht weiter.

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