Geberländer fordern Radikalreform

Berlin. "Das ist eine reine schwarz-gelbe Wahlkampfaktion". Die Reaktion von Berlins regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) fiel am Freitag knapp aus. Am Dienstag wollen die beiden schwarz-gelb regierten Länder Hessen und Bayern bei einer gemeinsamen Kabinettssitzung eine Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich beschließen

Berlin. "Das ist eine reine schwarz-gelbe Wahlkampfaktion". Die Reaktion von Berlins regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) fiel am Freitag knapp aus. Am Dienstag wollen die beiden schwarz-gelb regierten Länder Hessen und Bayern bei einer gemeinsamen Kabinettssitzung eine Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich beschließen. Ihre Alternative: Sie wollen weniger zahlen, und Berlin soll seinen hohen Finanzbedarf beim Bund decken.

Tatsächlich profitiert die Hauptstadt am meisten von dem seit 1995 geltenden Verteilungssystem, das die unterschiedliche Steuerkraft der Länder so ausgleichen soll, dass es überall halbwegs gleich lebenswert ist. Pro Jahr werden rund acht Milliarden Euro umverteilt. Berlin bekommt 3,3 Milliarden. Geberländer waren 2012 nur noch Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Die Losung, nicht mehr länger für die Hauptstadt und andere "Verschwender" bluten zu wollen, ist dort populär. Allerdings ist Berlin so schwach, weil es seine wichtigsten Wirtschaftsbereiche, Elektro und Banken, durch Krieg und Teilung verloren hat - an die Geberländer.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) gab als Ziel aus, den eigenen jährlichen Beitrag von derzeit 3,9 Milliarden Euro um mindestens eine Milliarde Euro zu senken. Hessen (1,3 Milliarden Euro) will ebenfalls weniger zahlen. Der Reformvorschlag der beiden Länder sieht vor, dass der Bund künftig einen größeren Teil des Berliner Bedarfs abdecken soll. Das stieß im Bundesfinanzministerium auf wenig Gegenliebe. "Diese Frage stellt sich nicht", hieß es. Der Bund zahle bereits für Berlin und die Länder, alles andere müssten die unter sich klären.

Außerdem wollen Bayern und Hessen, dass die Länder künftig in gewissem Umfang die Höhe von Steuern selbst bestimmen dürfen, etwa bei der Erbschaftssteuer und der Einkommenssteuer. Hier befürchten jedoch fast alle Nehmerländer, dass so etwas zu einer Abwärtsspirale führen könnte: Noch mehr Bürger und Betriebe würden in die reichen Gegenden ziehen, wenn die weniger Steuern kassieren. "Das ähnelt dem System der Steueroasen", sagte der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) unserer Zeitung. Im Saar-Finanzministerium hieß es: "Wir wenden uns entschieden gegen Vorschläge, die die Konkurrenzfähigkeit unseres Bundeslandes verschlechtern." Notwendig seien gerechte Regelungen, mit denen auch Altschuldenfragen geklärt werden.

Zu den Argumenten gegen den Vorstoß der Geberländer gehört, dass es noch andere Finanzströme gibt, die eher die Südländer bevorzugen, etwa die EEG-Umlage. Der Rheinland-Pfälzer Kühl wies zudem darauf hin, dass in Bayern und Hessen viele Konzernzentralen und Banken sitzen, so dass beide Länder überproportional viel von der Kapitalertrags- und der Körperschaftssteuer bekommen. Kühl ist besonders sauer über das Vorgehen. "Das verpestet die Atmosphäre", sagte er. Es gebe eine Arbeitsgruppe der Länderfinanzminister, in der man "beeindruckend sachlich" über das Thema diskutiere. Die Arbeitsgruppe werde bis Ende des Jahres eine erste Bewertung des äußerst komplizierten Regelwerkes vornehmen. "Wir sind im Zeitplan." Wie giftig die Atmosphäre schon ist, zeigte sich diese Woche, als Hessens FDP-Fraktionschef Wolfgang Greilich vorschlug, die Nehmerländer Rheinland-Pfalz und Saarland einzugemeinden. "Völlig durchgeknallt" war die Reaktion in Mainz. In Saarbrücken hieß es: "Da ist einiges nicht mehr im intellektuellen Gleichgewicht."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort