"Gaddafis Regime wird kippen"

Homburg. Wenn man die Augen schließt und nur der vertrauten sonoren Stimme lauscht, könnte man glauben, man säße im heimischen Wohnzimmer und im Hintergrund würde Peter Scholl-Latour bei Sandra Maischberger gerade zur Weltpolitik Stellung nehmen. Öffnet man die Augen, sieht man ihn tatsächlich vor sich in natura, wie er hinter einem Tisch sitzend seine Analyse der arabischen Welt vorträgt

 Peter Scholl-Latour hatte bei seinem Vortrag im Homburger Saalbau für die rund 750 Zuhörer viele Einschätzungen parat. Foto: Maurer

Peter Scholl-Latour hatte bei seinem Vortrag im Homburger Saalbau für die rund 750 Zuhörer viele Einschätzungen parat. Foto: Maurer

Homburg. Wenn man die Augen schließt und nur der vertrauten sonoren Stimme lauscht, könnte man glauben, man säße im heimischen Wohnzimmer und im Hintergrund würde Peter Scholl-Latour bei Sandra Maischberger gerade zur Weltpolitik Stellung nehmen. Öffnet man die Augen, sieht man ihn tatsächlich vor sich in natura, wie er hinter einem Tisch sitzend seine Analyse der arabischen Welt vorträgt.Das war auch der Anlass, zu dem der Journalist und Autor auf Einladung der Siebenpfeiffer-Stiftung an diesem Abend in den Homburger Saalbau gekommen ist. Es wird eine nüchterne und ernüchternde Analyse der aktuellen Vorkommnisse in der arabischen Welt und der teils unrühmlichen Rolle, die die Europäer in Vergangenheit und Gegenwart spielten und spielen.

Detailliert beleuchtet er einen Staat nach dem anderen, erklärt die aktuelle politische Situation und die historischen Hintergründe. Von Marokko geht die "Reise" über Algerien und Ägypten, den Sudan, Jordanien und Syrien in den Irak, dann nach Bahrain und in den Iran. Schwerpunkt aber ist Libyen, wo Diktator Gaddafi sich noch an die Macht klammert, "aber sein Regime wird kippen", da ist sich Scholl-Latour sicher. Nicht zuletzt dank der Unterstützung der internationalen Truppen für die Rebellen. "Die Briten sind mit ihren Special-Air-Service-Einheiten vor Ort, die mit ihren zwölf Mann starken Trupps effektiver sind als ein ganzes libysches Bataillon", sagt Scholl-Latour. Warum Gaddafi im Laufe der Zeit zu einem "Paranoiker" geworden ist, weiß auch der Afrika-Kenner nicht. "Früher war er es nicht, im Gegenteil, er war sogar sehr beliebt, weil er mit seiner Machtübernahme die Fremdherrschaft der Europäer abgeschüttelt hat." Dass Gaddafi sich bis zum Äußersten wehrt, sei jedoch nicht überraschend: "Wenn er vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag landet, droht ihm lebenslange Haft."

 Peter Scholl-Latour hatte bei seinem Vortrag im Homburger Saalbau für die rund 750 Zuhörer viele Einschätzungen parat. Foto: Maurer

Peter Scholl-Latour hatte bei seinem Vortrag im Homburger Saalbau für die rund 750 Zuhörer viele Einschätzungen parat. Foto: Maurer

Deutschlands Rolle im aktuellen Konflikt findet bei Scholl-Latour keinerlei Gnade. Außenminister Guido Westerwelle habe die Libyer bei seinem Besuch auf dem Tahrir-Platz in Kairo geradezu ermuntert, es den Ägyptern gleichzutun - und dann im UN-Sicherheitsrat die Zustimmung zum Eingreifen in Libyen verweigert. Dabei hätte, so Scholl-Latour, "nicht ein einziger Soldat nach Nordafrika geschickt werden müssen". Im persönlichen Gespräch wird er noch deutlicher und nennt Westerwelles Verweigerung eine "Dummheit mit schwerwiegenden Konsequenzen". Wie es weitergeht in der arabischen Welt? Scholl-Latour schließt seine Rede schmunzelnd mit einem Zitat des Dichters Paul Valéry: "Im Abgrund der Geschichte ist für alle Platz."

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