Gabriel sieht Existenz der SPD bedroht

Berlin · Werden die Sozialdemokraten überhaupt noch gebraucht? Auch Parteichef Gabriel stellt sich diese Frage. Seiner Meinung nach muss sich die SPD wieder viel stärker als Gerechtigkeitspartei profilieren.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht die Zukunft seiner Partei durch das massiv schwindende Vertrauen der Menschen in Deutschland in Gefahr. Es sei ein "Alarmsignal", dass nur noch 32 Prozent der Bürger der SPD Lösungen in Fragen der sozialen Gerechtigkeit zutrauten. Zwar sei auch die Volkspartei Union unter Druck - für die SPD sei der Ansehensverlust in ihrer Kernkompetenz aber existenzbedrohend, warnte Gabriel gestern bei einer Parteikonferenz in Berlin . Mehrere Umfragen hatten die SPD zuletzt nur noch bei 20 Prozent gesehen.

Der intern umstrittene Vorsitzende, seit 2009 im Amt, räumte erneut strategische Fehler seiner Partei ein, die er "emotional ermüdet" nannte. Wenn es um die Zahl der Programme und Forderungen ginge, müsste die SPD bei 50 Prozent liegen. Die Sozialdemokratie brauche wieder "ein tiefer gehendes Verständnis für das, was um uns herum passiert". Gabriel äußerte Zweifel daran, "ob wir den Gerechtigkeitshunger unserer Zeit ausreichend begreifen". Die SPD sei heute "ein bisschen zu viel Staat und zu wenig soziale Bewegung". Gabriel ermunterte seine Parteifreunde, den Kampf um die demokratische Mitte neu aufzunehmen. Dafür sei "Gerechtigkeit der Schlüssel".

Auf Distanz ging er abermals zu den Agenda-Beschlüssen von Gerhard Schröder . Auch habe man mit der unter Finanzminister Peer Steinbrück eingeführten Abgeltungssteuer "den Fehler gemacht, Erträge aus Kapitaleinkommen geringer zu besteuern als Erträge aus Arbeit". Dies müsse korrigiert werden, etwaige Steuermehreinnahmen sollten vorrangig in den Bildungsbereich fließen. Falsch sei es zudem gewesen, grundlose Befristungen von Arbeitsverträgen zuzulassen, erklärte Gabriel. Eine Änderung sei aber in der Koalition mit der Union derzeit nicht durchzusetzen.

Als bereits erfolgte, sinnvolle Korrektur früherer Beschlüsse nannte Gabriel den abschlagsfreien vorzeitigen Renteneintritt für langjährige Versicherte. Einer Erhöhung des Rentenalters von 67 auf 70, von Teilen der Union ins Spiel gebracht, erteilte der SPD-Chef eine klare Absage: "Wir werden diesen Irrsinn verhindern." > e, A 4: Meinung

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