Gabriel ganz vorn im Rennen ums Iran-Geschäft

Berlin/Teheran · Die mehr als zehnjährige Eiszeit zwischen dem Iran und dem Westen scheint sich einem Ende zuzuneigen. Wer von der Entspannung profitieren will, muss sich nun schnell in Stellung bringen. Vizekanzler Gabriel und die deutsche Wirtschaft sind vorne dabei.

Es ist eine Reise, die viele Milliarden Euro wert sein kann. Das Ziel: die iranische Hauptstadt Teheran. An Bord: Vizekanzler Sigmar Gabriel und ein Dutzend Vertreter der deutschen Wirtschaft. Die Mission: Wirtschaftliche Chancen nach der historischen Einigung im Atom-Streit mit dem Iran ausloten.

Gestern Morgen gegen halb elf startete ein Regierungs-Airbus vom Typ A319 vom Flughafen Berlin-Tegel, um Deutschland eine gute Ausgangsposition für den Wettlauf um die lukrativsten Geschäfte in dem ölreichen Golfstaat zu verschaffen. Die Planung der Reise begann schon, als noch lange nicht klar war, ob sich die UN-Vetomächte und Deutschland in Wien mit der Regierung in Teheran einigen würden.

Die Visa für die Mitreisenden wurden vor zwei Wochen beantragt. Die historische Vereinbarung, die eine iranische Atombombe verhindern und die Wirtschaftssanktionen gegen das Land beenden soll, stand aber erst am Dienstag. So kam es, dass Wirtschaftsminister Gabriel jetzt der erste westliche Spitzenpolitiker ist, der in Teheran Gespräche über die künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit führt.

Das Programm kann sich sehen lassen: Präsident Hassan Ruhani empfängt den Gast aus Deutschland persönlich - protokollarisch in einem Land dieser Größe und Bedeutung nicht unbedingt üblich. Zudem sind Gespräche mit drei Ministern, dem Gouverneur der iranischen Zentralbank und der Industrie- und Handelskammer vorgesehen. Und zum Abschluss geht es morgen in eine der kulturhistorisch bedeutendsten Städte des Irans: Isfahan, mit seinen atemberaubenden Palästen und Moscheen.

Die deutschen Unternehmen mit Iran-Ambitionen haben diese Reise herbeigesehnt. "Ein besseres Signal kann man sich gar nicht vorstellen", sagt der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier. Er glaubt, dass sich die deutschen Exporte von derzeit 2,4 Milliarden Euro jährlich in den nächsten vier Jahren vervierfachen können. Treier sieht den deutschen Wettbewerbsvorteil vor allem in den historisch gewachsenen Bindungen. In den 1970er Jahren war der Iran der zweitgrößte außereuropäische Absatzmarkt der deutschen Wirtschaft nach den USA. 2005 war der Handel zwischen den beiden Ländern noch 4,8 Milliarden Euro wert. Dann brach er wegen der Sanktionen ein. Die Lücke haben die Chinesen und Koreaner gefüllt. Heute kommen mehr als zwei Drittel der iranischen Importe aus Asien und weit weniger als ein Drittel aus Europa. Das Verhältnis der Iraner zu den Asiaten sei aber "sehr unemotional", sagt Treier. Die Affinität zu den Deutschen sei dagegen groß.

Für die deutschen Firmen sieht der DIHK vor allem in den Bereichen Maschinen- und Fahrzeugbau, Baustoffe, Wassermanagement, Abfallwirtschaft, Erneuerbare Energien und Gesundheitswesen Potenzial. 2016 fallen nach jetziger Planung die entscheidenden Sanktionen. Dann soll das Iran-Geschäft so richtig brummen. Deswegen wird es nach dem Gabriel-Besuch weitere Delegationsreisen geben.

Und was, wenn das alles nicht funktioniert, wenn die Iraner ihr Wort nicht halten und ihre Verpflichtungen aus der Vereinbarung von Wien nicht umsetzen? Dann könne man auch ganz schnell wieder die Koffer packen, sagt Treier. Daran glaube aber niemand.

Zum Thema:

HintergrundDer amerikanische Fast-Food-Konzern McDonald's plant nach der Atom-Einigung, Filialen im Iran zu eröffnen. Wie die Nachrichtenagentur Tasnim gestern berichtete, soll sich McDonald's um eine Lizenz im Iran beworben haben. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. McDonald's ist bei Iranern sehr beliebt und gilt bei Auslandbesuchen meist als erste Anlaufstation. Schon während der Präsidentschaft des reformorientierten Mohammed Chatami Ende der 1990er Jahre plante das Land die Eröffnung der ersten McDonald's-Filiale in Nordteheran. Dagegen gab es damals aber heftige Proteste der Hardliner im Iran, die in McDonald's das "Symbol des Imperialismus und amerikanischen Kapitalismus" sahen. dpa

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