Furcht vor neuem Gaza-Krieg wächst

Jerusalem · Der Schlagabtausch zwischen Israel und militanten Palästinensern gewinnt an Schärfe. Hassmorde von Juden und Arabern drohen die Region ins Chaos zu stürzen. Israels Armee mobilisiert weitere Reservisten. Außenminister Lieberman fordert ein noch härteres Vorgehen und bricht mit Netanjahus Likud.

Nach der brutalen Ermordung eines jungen Palästinensers haben drei radikale Israelis Geständnisse abgelegt. "Drei der sechs Verdächtigen haben die Ermordung und Verbrennung von Mohammed Abu Chder bei lebendigem Leib gestanden", verlautete gestern aus Ermittlerkreisen. Abu Chder war am vergangenen Mittwoch in Ostjerusalem verschleppt worden. Wenig später wurde die verbrannte Leiche des 16-Jährigen in einem Wald im Westteil der Stadt entdeckt. Am Sonntagmorgen nahm die Polizei sechs junge jüdische Extremisten fest. Sie werden beschuldigt, einer "Terrororganisation" anzugehören und einen Minderjährigen "aus nationalistischen Motiven" entführt und ermordet zu haben, wie das Onlineportal Ynet berichtete.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu rief gestern Abu Chders Vater an, um ihm zu kondolieren und seine Erschütterung über den "abscheulichen Mord " auszudrücken. Der Tod des Palästinensers kurz nach der Beisetzung von drei im Westjordanland entführten und getöteten jungen Israelis hatte die Spannungen im Nahostkonflikt wieder deutlich verschärft - es gab in den vergangenen Tagen zahlreiche Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und Vergeltungsschläge der israelischen Luftwaffe. Bei einem dieser Angriffe wurden in der Nacht zum Montag neun Palästinenser getötet.

Angesichts der Gewalt wächst die Sorge vor einem neuen Gaza-Krieg sowie einem neuen Palästinenseraufstand. Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri beschrieb die israelischen Luftangriffe als "schwerwiegende Eskalation" und drohte: "Der Feind wird den Preis zahlen." Hamas hat bereits angekündigt, "neue Ziele" in Israel anzugreifen. Bei dem letzten großen Schlagabtausch im November 2012 hatte Hamas auch die israelischen Großstädte Tel Aviv und Jerusalem unter Feuer genommen.

Israels Armee bereitet sich bereits auf eine größere Operation vor. 1500 Reservesoldaten wurden mobilisiert. "Unsere Botschaft ist, dass wir für jede Entwicklung bereit sind", sagte ein Armeesprecher. Hamas sei aktiv an den jüngsten Angriffen auf Israel beteiligt. "Wir müssen uns auf eine weitere Verschlimmerung der Lage einrichten."

Im Streit um das richtige Vorgehen angesichts der Eskalation der Gewalt brach Außenminister Avigdor Lieberman das Bündnis seiner Partei mit dem regierenden Likud . Seine Fraktion wolle aber in der von Regierungschef Netanjahu geführten Koalition bleiben. Lieberman sagte, Hintergrund seines Bruchs mit Netanjahu seien "tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten". Lieberman hat Netanjahus Vorgehen gegen die Hamas als zu zögerlich kritisiert. Er fordert eine breite Militäroffensive in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer: "Ich verstehe nicht, worauf wir warten."

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