Frauen im Männer-Kosmos
Saarbrücken. Bemannte Raumfahrt - der Name sagt schon alles. Der Flug ins All ist Männersache. Nicht einmal zehn Prozent der fast 600 Mitglieder des internationalen Raumfahrtkorps sind Frauen. Diese Quote hat sich durch die gerade erfolgreich abgeschlossene chinesischen Mission Shenzhou-9 kaum verändert. Erstmals saß da eine Frau am Steuer eines chinesischen Raumschiffs
Saarbrücken. Bemannte Raumfahrt - der Name sagt schon alles. Der Flug ins All ist Männersache. Nicht einmal zehn Prozent der fast 600 Mitglieder des internationalen Raumfahrtkorps sind Frauen. Diese Quote hat sich durch die gerade erfolgreich abgeschlossene chinesischen Mission Shenzhou-9 kaum verändert. Erstmals saß da eine Frau am Steuer eines chinesischen Raumschiffs.Liu Yang heißt die 33-jährige Luftwaffen-Majorin aus der Provinz Henan. Sie siegte im Mai 2010 bei einer öffentlichen Ausschreibung, bei der sich Pilotinnen der militärischen und der zivilen Luftfahrt um die Berufung zur Taikonautin, so heißen Raumfahrerinnen in China, bewerben konnten. Liu Yangs Aufgabe war es, die Shenzhou-9-Kapsel an das zehn Meter lange und 8,5 Tonnen schwere Orbitalmodul Tiangong-1 anzudocken. Zwei Taikonauten unterstützten Liu Yang bei dieser Aufgabe.
Die erste Frau im All war dagegen ganz allein unterwegs. Am 16. Juni 1963 flog die ehemalige Textilarbeiterin und Fallschirmspringerin Walentina Tereschkowa ins All. Der Flug wurde im Ostblock als Beweis für die Gleichberechtigung der Frau im Sozialismus gefeiert. Tatsächlich gab es hinter den Kulissen mächtig Zoff, insbesondere mit dem russischen Chefkonstrukteur Sergej Koroljow, wie erst Jahrzehnte später veröffentliche Dokumente belegen. Denn Tereschkowa hatte während ihres Fluges Anweisungen ihres Chefs nicht befolgt. Sie verschwieg zum Beispiel ihre Weltraumkrankheit, die viele Astronauten packt. "Mir kommen keine Weiber mehr ins All", soll Koroljow geschimpft haben.
So sahen das auch die Männer, die nach Koroljows Tod im Jahr 1966 in Russland Verantwortung fürs Raumfahrtprogramm trugen. 1969, nachdem die ersten Amerikaner - auch in den Apollo-Kapseln saßen nur Männer - auf dem Mond gelandet waren, platzte für die vier Raumfahrt-Anwärterinnen, die mit Walentina Tereschkowa für einen Flug trainiert hatten, endgültig der Traum vom Raumflug.
Nicht anders ging es in den 1960er Jahren ihren amerikanischen Konkurrentinnen. Politisch schien es der Raumfahrtagentur Nasa damals nicht erstrebenswert, nach Gagarin und Tereschkowa auch beim kosmischen Geschlechterwettrennen Zweiter zu werden.
Diese Einstellung änderte sich erst Anfang der 1980er Jahre. Im Shuttle-Programm begann die Nasa mit der Auswahl neuer Astronautinnen. Doch die Shuttle-Flüge verzögerten sich, und die UdSSR, die zu jener Zeit als einzige Nation eine Raumstation im All betrieb, kam den Vereinigten Staaten erneut zuvor. Böse Zungen im Westen behaupteten damals, die zweite Kosmonautin Swetlana Sawizkaja habe nur deshalb ins Weltall fliegen dürfen, weil ihr Vater Jewjeni ein hochdekorierter Jagdflieger-Kommandant im Zweiten Weltkrieg war.
Ein knappes Jahr nach der zweiten Russin flog schließlich die erste Amerikanerin, Sally Kristen Ride, ins All. Für Schlagzeilen sorgte damals die Meldung, dass die Astronautin einen Lippenstift mit ins All nahm. Sally Ride, die Ende der achtziger Jahre die Nasa verließ und als Professorin an die Uni San Diego wechselte, ist am Montag dieser Woche an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Sie wurde 61 Jahre alt.
Insgesamt 50 Frauen sind von 1981 bis 2011 mit einer amerikanischen Raumfähre gestartet. Damit liegen die Vereinigten Staaten in Sachen Gleichberechtigung im Kosmos ganz mit großem Abstand an der Spitze. Mitte der 1980er Jahre standen sogar für kurze Zeit die Chancen für eine rein weibliche Raumschiffbesatzung nicht schlecht. Das änderte sich jedoch, als die damaligen Supermächte befreundete Staaten zu Raumflügen einluden. Die USA nahmen einen Astronauten aus Saudi-Arabien mit, die UdSSR verzichtete auf Flüge russischer Frauen zugunsten von Männern aus Afghanistan und Syrien.
Für Frauen aus Europa waren die Chancen für einen Flug ins All kaum besser. Erste westeuropäische Astronautin war 1991 die Britin Helen Sharman. Die Londoner Regierung von Premierministerin Margaret Thatcher hatte für den Flug rund 20 Millionen Euro an Russland überwiesen. Auf Sharman folgte fünf Jahre später die französische Sportphysiologin Claudie Haigneré, die danach politisch Karriere als Europaministerin machte. Heute ist sie im Management der europäischen Raumfahrtbehörde Esa.
Nur ein kurzes Gastspiel als Raumflug-Aspirantinnen gaben die Belgierin Marianne Merchez und zwei deutsche Kandidatinnen. Eine war die Leistungsschwimmerin und deutsche Meisterin Heike Walpot. Sieben Jahre wartete sie auf einen Start, dann zog sie den Job einer Pilotin bei der Lufthansa vor. Vorzeitig aus dem Training ausgeschieden ist auch Renate Luise Brümmer, die mit Walpot für den Flug trainiert hatte. Sie kehrte in ihrem Beruf als Meteorologin zurück.
Aus Asien haben es bisher vier Frauen ins All geschafft. Dazu gehört die Südkoreanerin Yi So-yeon, die heute unablässig auf Vortragstour in Sachen Raumfahrt auf allen Kontinenten ist. Ihr Handy-Klingelton ist das Lied "Fly Me to the Moon" - die Astronautin hat offenbar noch Großes vor.
Foto: dpa