Verschärfung der Asylpolitik in Frankreich Durchgreifen unter der Pariser Brücke

Paris · Eine illegale Zeltstadt im Nordosten von Paris ist am Donnerstag dem Erdboden gleichgemacht worden. Es ist das erste sichtbare Zeichen, dass Frankreich Ernst macht mit der Verschärfung der Asyl-Politik.

  Fast 600 Polizisten waren am frühen Donnerstagmorgen unter dieser Brücke im Norden von Paris im Einsatz, um die Zeltstadt mit mehr als 1600 Migranten aufzulösen.

Fast 600 Polizisten waren am frühen Donnerstagmorgen unter dieser Brücke im Norden von Paris im Einsatz, um die Zeltstadt mit mehr als 1600 Migranten aufzulösen.

Foto: AP/Francois Mori

Es ist ein hässlicher Novembermorgen an der Porte de la Chapelle. Der Regen prasselt auf die Straße, als rund 600 Polizeibeamte im fahlen Licht der Straßenlaternen das Migrantenlager um kurz vor sechs Uhr unter der Brücke der Stadtautobahn umstellen. Die Menschen kriechen verschlafen aus ihren Zelten, niemand macht einen überraschten Eindruck, die meisten Betroffenen scheinen damit gerechnet zu haben, dass bald etwas passieren würde.

Am Tag zuvor hatte der französische Premierminister Édouard Philippe erklärt, den Kurs in der Einwanderungspolitik zu verschärfen. Frankreich wolle die „Kontrolle über die Migrationspolitik“ zurückgewinnen, sagt er. Angekündigt wurde unter anderem, die illegalen Zeltstädte im Nordosten der französischen Hauptstadt bis Jahresende zu räumen.

An der Porte de la Chapelle fordert die Polizei die über 1000 Migranten auf, ihre Habe zusammenzupacken und sich zu versammeln. Es sind vor allem Männer, aber auch Frauen mit Kindern.

Nur wenige Minuten später stehen die Menschen mit ihren kleinen Koffern unter der Brücke, noch immer fällt Regen, Busse fahren vor und die Wartenden steigen ein. Sie werden in Unterkünfte gefahren, wo alle verpflegt und ihre Personalien aufgenommen werden. Man werde sich vor allem um die Familien kümmern, dass sie anständig versorgt werden, sagt ein Beamter.

Während der gesamten Räumung bleibt die Situation überraschend ruhig, viele der Migranten wirken unbeteiligt, fast apathisch, sie scheinen es in fataler Weise gewohnt zu sein, herumgeschoben zu werden.

Die Straßen rund um das Lager waren von der Polizei gesperrt worden, auf der Stadtautobahn kam es deshalb zu langen Staus, was im Pariser Berufsverkehr allerdings alltäglich ist und von den Pendlern deshalb auch an diesem Morgen mit großer Gelassenheit hingenommen wird.

Es ist nicht das erste Mal, dass die verwahrloste Zeltstadt von der Polizei geräumt wurde. Doch immer wieder sind die Menschen nach wenigen Tagen unter die Brücke der Stadtautobahn zurückgekehrt. Das werde dieses Mal nicht der Fall sein, kündigte der französische Innenminister Christophe Castaner noch am selben Morgen in einem Interview mit dem Nachrichtensender „France Info“ an. Es sei dafür gesorgt, dass überwacht werde, dass an dieser Stelle keine Zelte mehr aufgestellt würden.

„Es wurde Zeit, dass die Polizei einschreitet“, sagt eine Frau, die in einer Apotheke an der Porte de la Chapelle arbeitet. Sie könne verstehen, dass diese „armen Teufel“ irgendwo unterkommen müssten, aber in den vergangenen Monaten seien die Zustände zusehends schlimmer und die Situation immer unübersichtlicher geworden. Das Lager habe immer mehr Kriminelle angezogen, Drogenhandel und Prostitution hätten überhandgenommen.

Bei den Anwohnern wurde dieser unwirtliche Bereich unter der Autobahnbrücke am Ende auch „Crack-Hügel“ genannt. Ihr habe es vor allem für die vielen Kinder leidgetan, sagt die Frau, wie kann man in dieser Kälte im Zelt, ohne Strom, Wasser und Toilette leben?

Wie schon bei anderen Räumungen des Lagers, ist auch Anne Hidalgo an diesem verregneten Herbstmorgen vor Ort, die sozialistische Bürgermeisterin von Paris. Sie erklärt, dass bereits vor einigen Tagen ein Treffen von dreizehn Bürgermeistern im Innenministerium stattgefunden habe. Die Stadt sei mit einem enormen Zustrom von Migranten konfrontiert und es sei kaum mehr möglich, diese Menschen „in Würde aufzunehmen“, sagt sie. Aber „die Straße sei kein Ort, um dort zu leben“, fährt Hidalgo fort. Die Zustände im und um das Lager seien nicht mehr tragbar gewesen, weder für die Migranten noch für die Anwohner an der Porte de la Chapelle. Um diesem Elend ein Ende zu bereiten, habe man sich entschlossen, nun durchzugreifen.

 Viele Migranten im Großraum Paris leben unter schweren Bedingungen. Einige müssen ohne Obdach auf der Straße schlafen.

Viele Migranten im Großraum Paris leben unter schweren Bedingungen. Einige müssen ohne Obdach auf der Straße schlafen.

Foto: AP/Francois Mori
 Mit Taschenlampen waren die Beamten zwischen den Zelten unterwegs. 

Mit Taschenlampen waren die Beamten zwischen den Zelten unterwegs. 

Foto: AP/Francois Mori
 French Police officers and gendarmes control migrants during a large operation to dismantle makeshift migrant camps in the north of Paris, Thursday, Nov. 7, 2019. Officials say almost 600 police officers were involved in clearing up the makeshift tents set up in exhaust-fumed clad areas underneath suburban highways. Police Prefect Didier Lallement told reporters Thursday that "1,606 people were evacuated and the site is now freed of all its occupants". (AP Photo/Francois Mori)

French Police officers and gendarmes control migrants during a large operation to dismantle makeshift migrant camps in the north of Paris, Thursday, Nov. 7, 2019. Officials say almost 600 police officers were involved in clearing up the makeshift tents set up in exhaust-fumed clad areas underneath suburban highways. Police Prefect Didier Lallement told reporters Thursday that "1,606 people were evacuated and the site is now freed of all its occupants". (AP Photo/Francois Mori)

Foto: AP/Francois Mori

Kaum sind die Menschen an diesem Morgen mit ihren wenigen Habseligkeiten in die Busse gestiegen, rücken Bagger und Schaufellader an, um die Zelte, provisorischen Hütten und vor allem auch die Müllhalden an den Straßenrändern wegzuräumen. Alles wird in Container gekippt und abtransportiert. Nur wenige Stunden später ist von dem Lager nichts mehr übrig.

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