Frankreich will Grundwasser nahe Atomkraftwerken überprüfen lassen

Paris. Gut anderthalb Wochen nach dem Uranunfall im südfranzösischen Tricastin wird die Regierung aktiv. Sie werde nun das Grundwasser in der Umgebung aller Atomanlagen im gesamten Land untersuchen lassen, kündigte Umweltminister Jean-Louis Borloo (Foto: dpa) gestern an. Der Atomausschuss solle zudem prüfen, welche Folgen der Zwischenfall von Tricastin vor Ort habe

Paris. Gut anderthalb Wochen nach dem Uranunfall im südfranzösischen Tricastin wird die Regierung aktiv. Sie werde nun das Grundwasser in der Umgebung aller Atomanlagen im gesamten Land untersuchen lassen, kündigte Umweltminister Jean-Louis Borloo (Foto: dpa) gestern an. Der Atomausschuss solle zudem prüfen, welche Folgen der Zwischenfall von Tricastin vor Ort habe. "Die Leute sollen nicht das Gefühl haben, dass wir etwas verheimlichen", sagte Jean-Louis Borloo. Er wolle deshalb größtmögliche Transparenz.

In dem 60 Kilometer nördlich von Avignon gelegenen Tricastin war aus einer Reinigungsanlage für radioaktiv verstrahltes Material Anfang vergangener Woche uranhaltige Flüssigkeit ausgetreten und zum Teil in umliegende Flüsse gelangt. Das Institut für Strahlenschutz und Atomsicherheit (IRSN) stellte bei Messungen im Grundwasser in der Nähe der Anlage jetzt jedoch an mehreren Stellen erhöhte Uranwerte fest, die sich nicht mit dem Zwischenfall erklären lassen. Vermutet wird daher, dass bereits vor dem Unfall Uran ausgetreten ist.

Unabhängige Forscher glauben, dass eine Deponie für radioaktive Abfälle schuld an der Strahlenbelastung im Grundwasser ist. Hier waren unter einem circa sechs Meter hohen Erdhügel in den 70er Jahren rund 15000 Kubikmeter atomarer und chemischer Abfälle vergraben worden, die das französische Militär bei der Anreicherung von Uran produziert hatte. Die Stelle wurde jedoch nie abgedichtet, obwohl Experten davor warnten, dass das Uran durch Regen herausgewaschen werden könnte. Die Industrie versicherte jedoch stets, die Deponie sei nicht gefährlich.

Atomkraftgegner und Umweltschützer fordern inzwischen Untersuchungen durch eine unabhängige Expertenkommission. Sie kritisieren, dass die Öffentlichkeit nach dem Unfall letzte Woche viel zu spät informiert worden sei. Die Atomaufsicht hatte das Gesundheitsrisiko als gering eingestuft. "Die Bevölkerung ist beunruhigt", sagt der stellvertretende Bürgermeister von Bollène, Andr&;-Yves Becq. "Sie glaubt den offiziellen Zahlen nicht mehr."

In Frankreich gibt es derzeit 58 Atomkraftwerke. Sie liefern 80 Prozent des französischen Stroms.

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