Flüchtlinge als „abstrakte Terrorgefahr“

Berlin · Die IS-Terrormiliz und andere Extremisten haben Deutschland schon seit langem für Anschläge ins Visier genommen. Jetzt gibt es Sorgen, Dschihadisten könnten sich unter die Flüchtlinge gemischt haben.

Der junge Mann trägt Sonnenbrille, sein Gesicht sieht freundlich aus, auf seinem T-Shirt steht "Thank you". Seit Tagen kursiert dieses Foto bei Twitter . Der junge Mann, heißt es, sei ein Flüchtling auf dem Weg nach Deutschland. Daneben ist ein zweites Bild geheftet worden. Auch hier ist ein junger Mann zu sehen. Aber er trägt Uniform und einen Munitionsgürtel, in der rechten Hand hält er ein Schnellfeuergewehr. Das Foto dieses Kämpfers der IS-Terrormiliz soll vor zwei Jahren aufgenommen worden sein - und denselben Mann zeigen wie das erste Bild.

Überprüfen lässt sich diese Behauptung nicht. Trotzdem tragen solche Bilder zu der Sorge bei, mit der Flucht von Zehntausenden aus Syrien und dem Irak könnten sich Extremisten in den Strom Richtung Deutschland gemischt haben. Schon seit langem hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auch die Bundesrepublik ins Visier genommen. Für die Dschihadisten-Gemeinde weltweit ist Deutschland durch seinen Afghanistan-Einsatz zum Todfeind geworden. Zudem unterstützt die Bundeswehr seit rund einem Jahr die kurdischen Peschmerga, die im Nordirak gegen die IS-Extremisten kämpfen. Erst im August tauchte im Internet ein Video aus Syrien auf, das zwei IS-Anhänger zeigte, die ihre "Glaubensbrüder" zu Anschlägen in der Bundesrepublik und in Österreich aufriefen. Zwar gibt es bislang keinerlei Belege für Dschihadisten unter den Flüchtlingen. Trotzdem sagt Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), dem Magazin "Stern": "Wir müssen zumindest davon ausgehen, dass unter den vielen Flüchtlingen auch solche sein können, die Kampferfahrung haben. Wir sehen das schon als abstrakte Gefahr." Maaßens Aussage ist eine Woche alt, aber immer noch gültig.

In den vergangenen Monaten galt die Einschätzung, dass sich IS-Terroristen kaum in klapprigen Schlepper-Booten auf den gefährlichen Seeweg Richtung Europa machen würden. Da es weit risikoloser sei, sich mit gefälschten Papieren ein Flugticket zu besorgen. Doch seit es viele Menschen aus den Flüchtlingslagern etwa in der Türkei über den relativ kurzen Weg via Griechenland und Balkanroute in Richtung Deutschland treibt, hat sich dies geändert. Hinter vorgehaltener Hand ist in Sicherheitskreisen nun schon mal der Satz zu hören, man müsse von einer "erhöhten Gefährdung" ausgehen.

Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen hat registriert, dass extremistische Salafisten versuchten, Kontakt zu muslimischen Flüchtlingen aufzubauen. Auch die Behörden in Bayern melden ähnliche Versuche. Flächendeckend seien solche Aktivitäten in Deutschland aber noch nicht festgestellt worden, sagen Verfassungsschützer. Auch die Logik spreche dagegen, dass Werbeaktionen islamistischer Extremisten unter Flüchtlingen auf ein allzu großes Echo stoßen: Immerhin seien die Menschen eben erst vor dem IS-Terror geflohen.

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