Flotte Sprüche, aber noch keine Strategie

Berlin · Drei Tage haben die Grünen auf ihrer Fraktionsklausur in Weimar darüber beraten, wie sie sich gegen Schwarz-Rot behaupten wollen. Der inhaltliche Schwerpunkt soll wieder auf der Energiewende liegen.

Der Wahlkampf für mehr Gerechtigkeit ist den Grünen eher schlecht bekommen. "Ungerecht", wie der Wähler war, hat er der Partei erneut die Rolle als kleinste Oppositionskraft im Bundestag zugewiesen. Daran haben die Grünen lange geknabbert. Doch jetzt soll Schluss sein mit der Trauerarbeit. Auf ihrer dreitägigen Fraktionsklausur in Weimar, die heute zu Ende geht, empfehlen sich die Grünen als angriffslustige Truppe, die der großen Koalition kräftig einheizen will. Das sei eine Regierung der "Zukunftsvergessenen", tönte Fraktionschef Anton Hofreiter. Und die Co-Vorsitzende, Katrin Göring-Eckardt, befand mit Blick auf den schwarz-roten Holperstart, dass die "GroKo" den Dauerstreit in der schwarz-gelben Vorgängerregierung noch in den Schatten stelle.

Solche flotten Sprüche können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Grünen noch um eine politische Strategie ringen. Einerseits ergibt es schon Sinn, öfter zu poltern, um in Berlin überhaupt wahrgenommen zu werden. Andererseits sitzen die Grünen in sieben der 16 Bundesländer mit am Kabinettstisch. Da verbietet sich politische Fundamentalopposition. Wie die Partei mit dieser Doppelrolle zurechtkommen will, liegt noch im Nebel.

Auch das grüne Selbstverständnis ist eher noch im Fluss. In Weimar wurde über ein Positionspapier von 13 Bundestagsabgeordneten und Landespolitikern diskutiert, das den Wert der Freiheit in den Mittelpunkt rückt. "Selbstbestimmung und Liberalität sind bei uns Grünen zu Hause", heißt es da selbstbewusst. Zum FDP-Ersatz sollen die Grünen aber nicht werden. Denn an anderen Stellen findet sich auch das Bekenntnis zu einem starken Staat.

Was die künftigen Themenschwerpunkte angeht, da hat die Partei ihre Lektion aus der verpatzten Bundestagswahl schon gelernt: Zurück zu den Wurzeln, lautet die Devise. Statt um Steuer- und Finanzpolitik soll es wieder um Klimaschutz und Energiepolitik gehen. Doch gerade bei diesen urgrünen Kompetenz-Themen kam es im Vorfeld der Klausur zu Dissonanzen. Während die neue Grünen-Chefin Simone Peter den Vorschlag von Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) für ein Fondsmodell zur Finanzierung der Energiewende als "absurd" abtat, fand Fraktionsvize Oliver Krischer lobende Worte. Der Vorgang zeigt, dass auch die Grünen keinen Masterplan in ihrer Paradedisziplin haben.

Umso ausführlicher wurde in Weimar über mögliche Konzepte debattiert. Als Gastredner hatte die Fraktion den schleswig-holsteinischen Umweltminister Robert Habeck eingeladen, einen "Super-Realo". Die Grünen müssten auch in Zeiten der großen Koalition beweisen, "dass wir gestalten wollen und können". Bloße Kritik an den schwarz-roten Plänen sei zu wenig. Dank ihres komfortablen Einflusses im Bundesrat werden die Grünen am Ende tatsächlich über den weiteren Fortgang der Energiewende mitentscheiden. Diese Tatsache illustriert auch das grüne Kräfteverhältnis in der Hauptstadt: Die grüne Musik dürfte künftig stärker in der Länderkammer spielen und weniger im Bundestag.

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