Flinke Fresser: Dinos waren Warmblüter

Bonn. Riesenkörper, kleiner Kopf. Der Dinosaurier an sich erscheint uns heute als Fehlkonstruktion der Evolution - beeindruckend scheint allein seine Größe. Doch das Bild von den Dumpfbacken mit den Denkbeulen, die vor 65 Millionen Jahren aus noch nicht endgültig geklärten Gründen ausgestorben sind, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch, meldet nun die Universität Bonn

 Der Camarasaurus gehörte zu den großen Pflanzenfressern. Er wurde 20 Meter lang und 15 Tonnen schwer. Foto: Sauriermuseum Aathal/Schweiz

Der Camarasaurus gehörte zu den großen Pflanzenfressern. Er wurde 20 Meter lang und 15 Tonnen schwer. Foto: Sauriermuseum Aathal/Schweiz

Bonn. Riesenkörper, kleiner Kopf. Der Dinosaurier an sich erscheint uns heute als Fehlkonstruktion der Evolution - beeindruckend scheint allein seine Größe. Doch das Bild von den Dumpfbacken mit den Denkbeulen, die vor 65 Millionen Jahren aus noch nicht endgültig geklärten Gründen ausgestorben sind, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch, meldet nun die Universität Bonn.Dort versuchen Geochemiker die Lebensweise der Riesenechsen anhand von Daten zu rekonstruieren, die heute noch aus ihren versteinerten Skeletten gewonnen werden können. Sie kamen dabei zu einem überraschenden Resultat. Der Stoffwechsel der pflanzenfressenden Dinos, die bisher wie die Echsen zu den wechselwarmen Vertretern der Tierwelt gerechnet wurden, könnte dem der warmblütigen Säugetieren ähnlich gewesen sein.

Die Uni Bonn spricht vom Dino als einem "Hochleistungsmodell der Evolution". Der Stoffwechsel einiger pflanzenfressender Arten sei wahrscheinlich wie beim Menschen bei einer konstanten Temperatur abgelaufen, die zwischen 36 und 38 Grad betrug.

Bei Eidechsen oder Krokodilen hängt die Körpertemperatur von der Umgebungstemperatur ab, erklärt der Bonner Geochemiker Dr. Thomas Tütken. "Nach einer kalten Nacht sind Reptilien deshalb nur eingeschränkt bewegungsfähig. Im Gegensatz dazu können warmblütige Tiere, wie Säugetiere oder Vögel, ihre Körpertemperatur konstant halten.

Ein Organismus, dessen Stoffwechsel bei konstanter Temperatur läuft, ist mit einem Rennwagen vergleichbar, der hohe Leistung um den Preis extremen Verbrauchs liefert. Ein wechselwarmes Tier komme dagegen mit einem Zehntel dieser Energie aus.

Die Körpertemperatur der Dinos errechneten die Forscher auf dem Umweg über den Zahnschmelz. Er enthält Karbonat, eine Verbindung aus Kohlen- und Sauerstoff. Kohlenstoff- und Sauerstoff-Atome kommen in der Natur als unterschiedliche Isotope vor. Mit diesem Fachausdruck werden Atome eines Elements bezeichnet, die sich zwar im Gewicht der Kernbausteine unterscheiden, chemisch aber gleich verhalten. Die Körpertemperatur entscheidet nun darüber, wie leicht sich die schweren Isotope des Kohlenstoffs und des Sauerstoffs zu Karbonat verbinden. Je wärmer es bei der Bildung des Zahnschmelzes ist, desto seltener treten die schwereren Isotope im Karbonat gemeinsam auf, so Tütken. Durch dieses Verfahren lasse sich nach Jahrmillionen die Körpertemperatur eines Lebewesens auf zwei Grad genau bestimmen.

Die Wissenschaftler untersuchten mit Forschern des California Institute of Technology in Pasadena Zähne verschiedener Saurier, darunter waren der bis zu 20 Meter lange und 15 Tonnen schwere Camarasaurus und der Brachiosaurus, der 23 Meter lang und 40 Tonnen schwer wurde. Sie gehörten zu den pflanzenfressenden Sauropoden und lebten vor 150 Millionen Jahren. Die Dinosaurier hatten teils zentimeterlange Zähne, die sich wie bei Reptilien permanent erneuerten. Bei ihrer Analyse fanden die Forscher nur sehr geringe Anteile der schweren Isotope im Karbonat. Aus den Analysen des Zahnschmelzes errechneten sie beim Camarasaurus eine Körpertemperatur von 36 Grad, beim Brachiosaurus von 38 Grad. Die Frage, ob Dinosaurier eine konstante Körpertemperatur hatten, ist damit noch nicht endgültig beantwortet. Denn ein massiger Körper speichert von sich aus die Körperwärme sehr gut. Die Bonner Forscher wollen deshalb als nächstes Zähne kleinerer Dinos untersuchen. Wenn sich dabei ähnliche Werte ergeben sollten, wäre das ein eindeutiger Hinweis auf die Warmblütigkeit dieser Tiere.

Die Bonner Wissenschaftler untersuchen zudem die Frage, ob Dinosaurier, die vermutlich eine Lebenserwartung zwischen 30 und 50 Jahren hatten, ihren Stoffwechsel im Laufe ihres Lebens verändern konnten. Eine Hypothese dabei sei, so Thomas Tütken, dass die Tiere als Warmblüter geboren wurden, jedoch als wechselwarme Tiere starben. byl

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