Fanal gegen Antisemitismus
Berlin. Zum 70. Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 haben Spitzenpolitiker und die Kirchen mehr Wachsamkeit gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus angemahnt
Berlin. Zum 70. Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November 1938 haben Spitzenpolitiker und die Kirchen mehr Wachsamkeit gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus angemahnt. "Gleichgültigkeit ist der erste Schritt, unverzichtbare Werte aufs Spiel zu setzen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin bei der zentralen Gedenkveranstaltung der Bundesregierung und des Zentralrats der Juden in Deutschland. Merkel sagte, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus dürften in Europa "nie wieder eine Chance haben". Dies gelte auch für den arabischen Raum und andere Teile der Welt. In Deutschland dürfe niemand schweigen, wenn etwa ein Rabbiner auf offener Straße angegriffen oder ein jüdischer Friedhof geschändet wird. Jüdisches Leben müsse in Deutschland "eine gute Heimat haben".Die SPD-Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, Gesine Schwan, rief die Deutschen zu mehr Zivilcourage auf. Eine Gesellschaft der Bürger mit Zivilcourage könne ein Bollwerk gegen Machtmissbrauch und Willkür errichten, sagte Schwan in München. Israel wird nach den Worten des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert die Ereignisse der Reichspogromnacht weder vergessen noch verzeihen. Diese Nacht sei zweifelsohne ein Wendepunkt hin zur Vernichtung des Großteils der europäischen Juden in der Zeit von 1939 bis 1945 gewesen, sagte Olmert in Jerusalem. Bei der zentralen Gedenkfeier in der Berliner Synagoge Rykestraße warf die Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch (Foto: Reuters), der Politik zu viel Nachsicht im Umgang mit Rechtsextremisten vor. Indirekt bekräftigte sie damit die Forderung nach einem NPD-Verbot. Papst Benedikt XVI. rief eindringlich zur Ächtung von Antisemitismus und Diskriminierung in allen ihren Formen auf. Das Grauen der so genannten Reichskristallnacht dürfe sich nie wiederholen, sagte Benedikt nach dem traditionellen Angelus-Gebet in Rom. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) rief zum gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus auf. Hass, Rassismus und Gewalt dürften nicht geduldet werden, erklärte Beck gestern Abend bei der Grundsteinlegung für eine neue Synagoge in Speyer. Auch im niedersächsischen Göttingen wurde gestern eine neue Synagoge eingeweiht.In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 hatten Nazis Geschäfte und jüdische Gotteshäuser in Brand gesetzt, Wohnungen demoliert und Bewohner misshandelt. Die Pogromnacht mit mehr als 1300 Toten war Auftakt der völligen Entrechtung der Juden in Deutschland. Zehntausende wurden allein am 10. November verschleppt. dpa