Ex-Pentagon-Chef attackiert Obama

Washington · Für Wirbel in Washington sorgen Vorab-Auszüge eines Buches, das Robert Gates, ein US-Politiker von Rang, geschrieben hat. Darin enthüllt er seine Erlebnisse mit Obama während des Kriegs in Afghanistan – und das schonungslos.

Im Amt war Robert Gates die Loyalität in Person. Ein Pflichtmensch, den Barack Obama aus dem Kabinett George W. Bushs übernommen hatte, um ein Zeichen des Brückenschlags über Parteienschluchten zu setzen. Hinter verschlossenen Türen mag er Tacheles geredet haben, draußen hütete er sich, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Dafür zieht er im Ruhestand umso kräftiger vom Leder. Und allein schon, weil der Verteidigungsminister a.D. als Erster von Rang, der einmal unter Obama gedient hat, seine Erinnerungen zu Papier bringt, schlägt das Buch ein wie eine Bombe. "Duty: Memoirs of a Secretary at War" (Die Pflicht: Memoiren eines Ministers im Krieg) ist zwar nur auszugsweise aus Vorabdrucken bekannt. Aber die sorgen bereits für Wirbel in Washington.

Schonungslos erzählt der 70-Jährige von der Zeit, als Obama, auf das Ende kostspieliger Truppeneinsätze bedacht, den Krieg in Afghanistan abzuwickeln versuchte, ohne sein Gesicht zu verlieren, und dabei widersprüchliche Signale aussandte. Im Dezember 2009 stockte er das US-Kontingent am Hindukusch um 30 000 Mann auf, aber legte zugleich den Beginn des Rückzugs für Sommer 2011 fest.

Gates skizziert ihn als einen Getriebenen, der gegen seine inneren Überzeugungen handelte und eigentlich nie an den Erfolg seiner Strategie glaubte. "Der Präsident war skeptisch, wenn nicht komplett davon überzeugt, dass sie scheitern würde."

Zu den Schlüsselszenen gehört eine Besprechung im Weißen Haus am 3. März 2011. Obama äußerte dabei den Verdacht, die Armeespitze wolle den angepeilten Abzug durch gezielte Durchstechereien in der Presse infrage stellen. David Petraeus, Afghanistan-Befehlshaber und seit seinen Erfolgen im Kampf gegen irakische Aufständische in Amerika zu einer Art Genie in Uniform verklärt, stand im Mittelpunkt der Kritik. Dass Obama den afghanischen Staatschef Hamid Karsai für einen chronisch unzuverlässigen Scheinverbündeten hielt, war längst kein Geheimnis mehr.

"Ich saß da", schreibt Gates, "und dachte: Der Präsident vertraut seinem Kommandeur nicht, er kann Karsai nicht ausstehen, glaubt nicht an seine Strategie und betrachtet den Krieg nicht als seinen eigenen. Für ihn geht es nur darum, dort rauszukommen."

Überhaupt, die Zivilisten und der Kommiss - bei Gates klingt es nach einer langen Geschichte gegenseitigen Nichtverstehens. Als die US-Regierung intern debattierte, ob man in Libyen auf Seiten der Rebellen gegen Muammar al-Gaddafi eingreifen solle, wies der Pentagon-Chef seine Untergebenen an, dem Stab des Weißen Hauses so wenig Informationen zu liefern. "Sie verstehen es nicht, und *lsquor*Expertinnen' wie Samantha Power werden entscheiden, wann wir militärisch aktiv werden sollen." Power, einst glühende Anhängerin humanitärer Interventionen, damals Mitarbeiterin des nationalen Sicherheitsrats, ist heute UN-Botschafterin.

Immerhin, dem Politiker Obama bescheinigt der Memoirenschreiber eine hohe Integrität, während er dessen Vize Joe Biden ankreidet, immerzu "den Brunnen vergiftet" und gegen die Generalität gestichelt zu haben. Hillary Clinton wiederum, heiß gehandelt als Präsidentschaftskandidatin 2016, kommt streckenweise so gut weg, dass es angesichts der Schelte gegen andere fast schon wie eine Wahlempfehlung klingt. "Ich fand sie klug, idealistisch, aber pragmatisch, hart, unermüdlich, witzig, eine sehr geschätzte Kollegin und eine großartige Repräsentantin der Vereinigten Staaten in aller Welt."

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