Europa hat ein Einsehen mit Athen

Der Schuldenberg ist zu hoch. Die Sparziele sind in weite Ferne gerückt. Trotzdem gehen die Euro-Partner auf Griechenland zu: Zwei Jahre mehr Zeit bekommt das Land, um die notwendigen Reformen durchzusetzen. Wochenlang hatte Regierungschef Antonis Samaras seine Partner bekniet

Der Schuldenberg ist zu hoch. Die Sparziele sind in weite Ferne gerückt. Trotzdem gehen die Euro-Partner auf Griechenland zu: Zwei Jahre mehr Zeit bekommt das Land, um die notwendigen Reformen durchzusetzen. Wochenlang hatte Regierungschef Antonis Samaras seine Partner bekniet. Jetzt haben die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) klein beigegeben. Ein entsprechendes Abkommen mit der Athener Spitze wollten die Finanzminister der Währungsunion noch gestern Abend beschließen. Begründung: Die wirtschaftliche Rezession habe dem Land mehr zugesetzt, als ursprünglich erwartet.Europa weicht seine harte Linie nicht auf, zeigte sich aber angesichts des neuen Berichtes der Troika versöhnlich gestimmt: "Der Grundton ist positiv, weil die Griechen ja wirklich geliefert haben", kommentierte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Und deshalb, so der luxemburgische Premier weiter, sei es jetzt auch an der Zeit, dass "wir liefern". Doch davon kann zunächst keine Rede sein. Die 17 Euro-Finanzminister hatten den seit Wochen erwarteten Bericht erst am Sonntagabend zugestellt bekommen und wollten dann doch genauer wissen, welche Zahlen, Daten und Fakten die über 300 Seiten enthalten. Fazit: Die von Athen so dringend ersehnte nächste Hilfszahlung über 31,5 Milliarden Euro wurde nicht überwiesen. "Wir haben noch etwas Zeit", sagte Juncker. Und auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble meinte beim Eintreffen in Brüssel: "Wir schauen uns das genau an und dann entscheiden wir." Dabei hatte das griechische Parlament in der Nacht zu Montag auch die letzten Forderungen der Troika für den Haushalt 2013 durchgewinkt. Weitere 9,4 Milliarden Euro sollen eingespart werden. "Das war ein ganz wichtiger Schritt", hieß es am gestrigen Abend aus dem Kreis der Euro-Finanzminister.

Trotzdem bleiben viele Fragen offen: Eigentlich sollte Athen schon 2014 seine Neuverschuldung wieder unter die Maastricht-Grenze von 3,0 Prozent drücken. Das wird angesichts einer 5,5-prozentigen Neuverschuldung (so die Prognose der EU-Kommission) im laufenden Jahr unerreichbar sein. Und auch die Hoffnung, dass das Staatsdefizit 2020 wieder bei 120 Prozent liegt, müssen die Retter aufgeben. Ende 2012 dürfte die Quote bei 188 Prozent liegen. "Das Land braucht deswegen mehr Zeit", hieß es in Brüssel. Damit läuft das Rettungspaket über 130 Milliarden Euro völlig aus dem Ruder, weitere Milliarden sind notwendig. Woher das Geld kommen soll, ist noch offen. Ein erneuter Schuldenerlass wird von der Bundesregierung abgelehnt, ein weiteres Hilfspaket müsste die Kanzlerin ausgerechnet im Wahljahr durch den Bundestag bringen.

Derweil geht das Durcheinander um eine angeblich bevorstehende Pleite des Landes weiter. Zunächst hatte die griechische Regierung auf Hilfe bis zum 16. November gedrängt, weil an diesem Tag fünf Milliarden aus kurzfristigen Anleihen unter anderem an die EZB zurückgezahlt werden müssen. Seit dem Wochenende heißt es nun, es sei kein Problem, sich diese Summe von den eigenen Banken zu leihen, die wiederum Schuldscheine bei der Frankfurter Euro-Bank hinterlegen und sich die Finanzen so zurückholen. "Es geht weiter drunter und drüber", lautete gestern die wenig vertrauenerweckende Bilanz eines hohen EU-Diplomaten. Eurogruppen-Chef Juncker will jetzt immerhin versuchen, die Entscheidung für die nächste Tranche der Hilfsmilliarden bis 22. November hinzukriegen. Dann tagen die Staats- und Regierungschefs über den EU-Etat. Da gibt es Krach genug. Griechenland will man da möglichst nicht auf der Tagesordnung haben.

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