Europa für ein paar Cent am Tag

Brüssel. Europa ist preiswert. Ganze 74 Cent am Tag kostet die EU ihre 493 Millionen Bürgerinnen und Bürger im kommenden Jahr. Macht 134,4 Milliarden Euro für 2009

Brüssel. Europa ist preiswert. Ganze 74 Cent am Tag kostet die EU ihre 493 Millionen Bürgerinnen und Bürger im kommenden Jahr. Macht 134,4 Milliarden Euro für 2009. Dafür gibt es ein um zehn Prozent erhöhtes Forschungsprogramm, 17 Prozent mehr für die Schaffung von Arbeitsplätzen und noch einmal zehn Prozent mehr für den Klimaschutz - jeweils im Vergleich zu 2008. Brüssels Haushaltskommissarin Dalia Grybauskaite sprach gestern von einem "stabilen Entwurf". Das ist kein Wunder, denn Schulden darf die EU nicht machen. Sie kann nur ausgeben, was sie von den Mitgliedstaaten (Deutschland überweist rund 22 Milliarden Euro nach Brüssel) einnimmt. Doch was kostet die EU den Bürger? Fest steht: Die Rechnung, bei der am Ende 74 Cent pro Tag herauskommt, ist nur auf den ersten Blick richtig. Denn sie berücksichtigt nicht, dass Kinder und Jugendliche sowie Ruheständler genau genommen gar nichts bis wenig zum EU-Etat beisteuern. Der wird von den 319,9 Millionen Erwerbstätigen in den 27 Mitgliedstaaten getragen. Denn die Quote derer, die einen Job haben, liegt in Europa bei derzeit 64,9 Prozent, nach Jahren mit deutlich geringerer Beschäftigung ein Hoch. Legt man den EU-Haushalt 2009 also auf diejenigen um, die ihn auch bezahlen, dann sieht die Rechnung anders aus: 1,15 Euro müssen pro Tag für Brüssel aufgewendet werden, rund 420 Euro im Jahr. Davon fließen 51 Cent in Projekte der Infrastruktur, kommen also im Wesentlichen den unterentwickelten Regionen der Gemeinschaft zu Gute. Zwölf Cent wendet Brüssel für den Klimaschutz auf, ebenfalls zwölf Cent werden für die ländliche Entwicklung ausgegeben. Und für sechs Cent pro Tag bekommen die Europäer die dazugehörige Verwaltung aus Kommission, Parlament und Rat, die in Brüssel, Straßburg und Luxemburg tagen. Doch die Rechnung täuscht. Denn Herr und Frau Steuerzahler investieren über Brüssel in ihre Heimat. Für die rund 39 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland heißt das: Sie zahlen zwar pro Tag 1,15 an die EU, als direkte Beihilfen aber kommen Deutschland elf Cent wieder zu. Weitere rund 30 Cent fließen über diverseProgramme, mit denen sich Länder und Kommunen Zuschüsse zum Beispiel für Projekte im Städtebau holen können, ebenfalls wieder an die Bundesrepublik. Unterm Strich bleiben also etwa 74 Cent für Europa. Dafür, so wird von der EU-Kommission gerne betont, bekommt der Bürger aber auch eine ganze Reihe von Leistungen, die sein persönliches Budget an anderer Stelle entlasten. Seit Juli 2007 fielen beispielsweise die Kosten für Handy-Telefonate aus dem Ausland um bis zu zwölf Cent pro Minute, für Kurznachrichten um rund elf Cent. Die Einführung des gemeinsamen Zahlungsmarktes Sepa, der das Abheben von Geld im Auslandsurlaub billiger macht, entlastet einen durchschnittlichen Haushalt um rund 30 Euro im Jahr. Meinung

Viel Geld fließt zurück

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes Nein, Europa kommt uns nicht teuer zu stehen. Gerade wir Deutschen profitieren vom Binnenmarkt, vom grenzüberschreitenden Handel, von der gemeinsamen Währung. Unterm Strich bleibt die EU eine Veranstaltung mit Gewinn. Inzwischen sind sogar die gebetsmühlenartig wiederholten Klagen über Deutschland als Nettozahler aus der politischen Diskussion verschwunden. Sie wären auch unpassend. Allein im vergangenen Jahr hat der Bundesfinanzminister fast eine Milliarde Euro zurückerstattet bekommen, die nicht ausgegeben wurde. Das ist denn auch der eigentliche Pferdefuß des europäischen Haushaltswesens: Die Umstellung zur so genannten Kofinanzierung, bei der jeder, der Subventionen haben will, einen gleich hohen Eigenanteil dazulegen muss, hat die Ansprüche sinken lassen. So bleiben in den Fördertöpfen Jahr für Jahr viele Millionen liegen, die nicht abgerufen werden, aber auch nicht anders verwendbar sind. Es wird wirklich Zeit, dass Europa nicht nur einen Kassensturz macht, sondern auch sein Haushaltswesen auf den Prüfstand stellt.

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