EuGH-Gutachter lehnt Zwangsmaßnahmen ab Keine Beugehaft für Spitzenpolitiker

Brüssel · Der Gutachter des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg lehnt Zwangsmaßnahmen gegen die bayerische Staatsregierung ab.

 Muss nicht ins Gefängnis: der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Muss nicht ins Gefängnis: der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Foto: dpa/Sven Hoppe

Ins Gefängnis muss Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sehr wahrscheinlich nicht. Das zeichnet sich nun in einem Verfahren gegen die Bayerische Staatsregierung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ab. Am Donnerstag präsentierte Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe sein Gutachten, das in der Mehrzahl der Fälle auch von den Richtern als Leitschnur für ihr Urteil übernommen wird.

Auslöser des Streits ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts München von 2012, das Dieselfahrverbote im Kampf gegen mit Schadstoffen belastete Luft ausdrücklich erlaubte. Doch die bayerische Staatsregierung ignorierte den Spruch. Der EuGH selbst hatte 2014 nachgelegt und in einem Urteil die Mitgliedstaaten verpflichtet, „jede erforderliche Maßnahme zu erlassen“, damit die europäische Richtlinie zur Luftreinhaltung eingehalten wird. Als weiterhin nichts geschah, schaltete sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein und stellte fest, dass das deutsche Recht lediglich Bußgelder als geeignete Sanktionsmaßnahme vorsehe. Die würden aber in diesem Fall wirkungslos bleiben, da das Justizministerium diese Gelder lediglich an das Finanzministerium überweise – sozusagen von der rechten in die linke Tasche des Freistaates. Können die politisch Verantwortlichen deshalb in Beugehaft genommen werden?

Der Generalanwalt sieht dafür jedenfalls keine Chance. Zwar sei die Weigerung des Freistaats, das Gerichtsurteil umzusetzen, gravierend, da es zum einen um die Gesundheit der Menschen, zum anderen aber auch um die Rechtstaatlichkeit gehe. Schließlich ignoriere die Regierung in München damit die Werte, auf die sich die Union gründe. Dennoch sei ein Eingriff in die Freiheit der Politiker ein höheres Gut, in das nicht eingegriffen werden dürfe, ohne dass zuvor eine solche Strafe gesetzlich festgeschrieben wurde. Außerdem, so Gutachter Saugmandsgaard Øe weiter, sei es schwierig, den betroffenen Personenkreis einzugrenzen: Neben dem Ministerpräsidenten gehe es auch um die Verantwortlichkeit der zuständigen Minister sowie der Amtsträger auf der Ebene der Regierungsbezirke sowie der Regierungspräsidien. Sie sind jedoch durch die Immunität geschützt. Nicht zumutbar sei es aber, eine Zwangsmaßnahme gegen hohe Beamte zu verhängen, von denen man nicht verlangen könne, eine gerichtliche Entscheidung umzusetzen, die der Auffassung ihres Dienstvorgesetzten widerspreche.

Der Generalanwalt kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die Verhängung von Zwangshaft gegen Amtsträger deren Grundrecht auf Freiheit verletzen würde – ganz abgesehen davon, ob mit einem solchen Eingriff das Ziel erreicht würde. Was könnte ein Kläger nun also tun? Der Gutachter empfiehlt den Gang nach Brüssel, um die dortige EU-Kommission zu veranlassen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland anzustrengen. Dieser Schritt erscheint allerdings unnötig, denn ein solches Verfahren läuft bereits. Mit dem endgültigen Urteil wird in einigen Monaten gerechnet. (Aktenzeichen: C-143/19)

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