EU streitet über Steueroasen

Brüssel. In der Krise rückt Europa zusammen. Als die 27 Staats- und Regierungschefs gestern Abend beim Dessert angekommen waren, herrschte wieder eitel Sonnenschein, nachdem man sich den gesamten Tag über in seltener Heftigkeit allerlei Bösartigkeiten an den Kopf geworfen hatte. Hauptziel der Attacken: Deutschland

Brüssel. In der Krise rückt Europa zusammen. Als die 27 Staats- und Regierungschefs gestern Abend beim Dessert angekommen waren, herrschte wieder eitel Sonnenschein, nachdem man sich den gesamten Tag über in seltener Heftigkeit allerlei Bösartigkeiten an den Kopf geworfen hatte. Hauptziel der Attacken: Deutschland. Doch dann sprach die Kanzlerin, zuvor noch als "Bremserin" beschimpft, und die Wogen glätteten sich. Die Kommission muss ihr Fünf-Milliarden-Konjunkturpaket nachbessern. Es darf nur solche Pipeline- und Internet-Projekte enthalten, die in diesem, spätestens im nächsten Jahr angegangen werden können. "Alles andere wäre verpufft", seufzte ein deutsches Delegationsmitglied erleichtert, als sich der Durchbruch abzeichnete. Dafür tobte der Streit um die Steueroasen zwischen Berlin und Luxemburg zunächst noch heftig weiter. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hatte die europäischen Steueroasen heftig kritisiert. Prompt entgleiste Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker und warf dem Kollegen "deutsche Kraftmeierei vor, die ich mir verbitte". Was den Luxemburger ebenso wie Belgien und Österreich auf die Palme brachte: Der EU-Gipfel wird heute eine "schwarze Liste" beschließen, auf der alle jene Staaten aufgelistet werden, die Steuerhinterziehung möglich machen. Dieses Papier soll dann beim Weltfinanzgipfel am 2. April in London weltweit verbindlich werden. Als Juncker am Abend hörte, dass niemand beabsichtige, ein EU-Mitgliedsland auf die Liste zu setzen, beruhigte sogar er sich wieder. Dafür droht der Gemeinschaft nun ein neuer Krach mit einem größeren Gegner: den USA. Alle Finanzprodukte aller Anbieter auf allen Märkten will die EU künftig einer globalen Kontrolle unterwerfen. Das ist die Verhandlungsposition, mit der die europäischen Vertreter beim G20-Weltfinanzgipfel (darunter die Bundesrepublik) antreten wollen. Präsident Obama bereits signalisiert, das ginge dann doch zu weit. Stattdessen sollten die Europäer zusätzlich zu ihren Konjunkturprogrammen in Höhe von 400 Milliarden Euro noch mehr Geld in die Hand nehmen. Merkel hatte schon am Donnerstag im Bundestag dagegen gehalten: "Keine neuen Konjunkturprogramme." Man müsse erst abwarten, wie die bisherigen Beschlüsse wirken. Spanien und Frankreich sowie einige kleine EU-Staaten wollten zwar noch mehr Anreize für die Wirtschaft fordern, doch man fügte sich schließlich der deutschen Linie. Meinung

Zerstrittenin der Krise

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes Wo ist er? Der Krisen-Manager, der gerade dann, wenn es am meisten nötig ist, die EU zusammenhält? Die Gemeinschaft ringt um Einigkeit, die selbstverständlich sein müsste. Aber sie ist es nicht, weil es niemanden gab, der am Anfang der Krise die nationalen Bemühungen koordiniert und um einen europäischen Mehrwert ergänzt hat. Die Gemeinschaft hat sich zerfleddern lassen und riskiert damit auch ihre Stärke beim Weltfinanztreffen. Eine geschlossen auftretende Union hätte mit viel Gewicht manches durchsetzen können - auch gegen Washington. Ob das nach diesem Gipfeltreffen voller Streit und gegenseitigen Schuldvorwürfen noch möglich ist, darf bezweifelt werden.

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