EU-weite Uhren-Umstellung Die Zeit für eine neue Zeit ist noch nicht gekommen

Brüssel/Luxemburg · Ab 2021 soll niemand mehr in der EU die Uhren umstellen. Eigentlich. Doch nun könnte der launige Beschluss eine unendliche Geschichte nach sich ziehen.

Die neue Zeit braucht noch Zeit. Als die Verkehrsminister der EU am Donnerstag in Luxemburg wieder einmal die Abschaffung der Uhrenumstellung auf dem Tisch hatten, beschlossen sie erst einmal gar nichts. Außer der Forderung nach mehr Zeit. Das ursprünglich anvisierte Ziel, die zweimal jährliche Dreherei an den Uhren im Jahr 2021 abzuschaffen, gerät immer weiter aus dem Blick. Anfang des Monats hatte Rumänien, das derzeit die halbjährlich wechselnde EU-Ratspräsidentschaft innehat, in einem Dokument den Stand lapidar so beschrieben: „Es scheint, dass die meisten Mitgliedstaaten mehr Zeit benötigen.“ Das ist noch untertrieben. Genau genommen kommt man nicht von der Stelle. Keine Regierung hat sich bisher offiziell positioniert, ob sie dauerhaft die Sommerzeit oder die im Winter übliche Normalzeit einführen will – auch Deutschland nicht. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) möchte zunächst eine Studie über die Folgenabschätzung erstellen lassen und bilaterale Gespräche mit Nachbarländern führen. Erst nach der Sommerpause plant er eine Befragung seiner Berliner Kabinettskollegen. Vor Ende 2019 dürfte also nicht mit einer deutschen Position zu rechnen sein. Die muss dann zumindest mit den übrigen 15 Regierungen abgestimmt werden, mit denen die Bundesrepublik derzeit in einer gemeinsamen Zeitzone liegt. Und das kann dauern. Das Europäische Parlament hatte sich im Dezember 2018 auf die Abschaffung der Uhrenumstellung 2021 verständigt.

Inzwischen wächst hinter den Kulissen die Kritik an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Der hatte im Sommer 2018 eine Online-Konsultation initiiert, an der sich 4,6 Millionen EU-Bürger beteiligten und mit einer Mehrheit von 84 Prozent für das Ende der Uhrenumstellung votiert hatten. Die Umfrage war jedoch weder repräsentativ noch wurde die wichtigste Frage überhaupt gestellt: Welche Zeit soll’s denn nun werden? Juncker überließ es den nationalen Regierungen zu entscheiden, welche Zeit sie für ihr Land wollen.

Bisher gibt es drei Zeitzonen, mehr sollen es nicht werden. „Das war ein ganz miserables Management“, sagte ein EU-Diplomat vor wenigen Tagen. Als EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc, die bei diesem Thema federführend ist, in einer Antwort auf eine Parlamentsanfrage auch noch schrieb, man solle nach der Abschaffung der Uhrenumstellung auch über veränderte Schulzeiten nachdenken, gab es zusätzlichen Ärger. Altmaier hatte sich für eine dauerhafte Sommerzeit ausgesprochen. Hätte diese schon 2019 gegolten, wäre die Sonne am 1. Januar in Frankfurt am Main erst um 9.24 Uhr auf-, aber auch schon gegen 17.30 Uhr untergegangen. Wenn eine dauerhafte Winterzeit eingeführt worden wäre, hätte das umgekehrt Folgen für die Sommerabende: Am 1. Juli 2019 würde die Sonne in Frankfurt statt gegen 21.30 Uhr schon gegen 20.30 Uhr untergehen, aber bereits um 4.20 Uhr aufgehen. Sicher dürfte derzeit nur sein, dass der Termin 2021 nicht zu halten ist. Es sind nicht wenige, die das Thema am liebsten klammheimlich begraben würden.

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