EU-Länder jagen Verkehrs-Rowdys

Brüssel. Die Schonzeit für Verkehrssünder im EU-Ausland geht zu Ende. Morgen werden die EU-Verkehrsminister eines der größten Hindernisse beiseite räumen: Ab 2013 können die Polizeibeamten auf die Datenbanken anderer Mitgliedstaaten zugreifen, um den Halter jedes Autos festzustellen. Ein Durchbruch gegen den Widerstand Deutschlands

Brüssel. Die Schonzeit für Verkehrssünder im EU-Ausland geht zu Ende. Morgen werden die EU-Verkehrsminister eines der größten Hindernisse beiseite räumen: Ab 2013 können die Polizeibeamten auf die Datenbanken anderer Mitgliedstaaten zugreifen, um den Halter jedes Autos festzustellen. Ein Durchbruch gegen den Widerstand Deutschlands. Denn hierzulande wurde die so genannte Halterhaftung schon vor Jahren abgeschafft. "Der Fahrer muss bestraft werden, wenn er einen schweren Verstoß gegen die Verkehrsregeln begangen hat, nicht der Halter des Autos", begründet der CSU-Verkehrsexperte und Europa-Abgeordnete Markus Ferber den Widerstand.Das Ärgernis ist bekannt: Jedes fünfte Fahrzeug, das beispielsweise auf deutschen Straßen unterwegs ist, stammt aus der europäischen Nachbarschaft. Unter den Rasern, Dränglern und Alkohol-Sündern sind die "Gäste" mit bis zu 30 Prozent vertreten. Bis September dieses Jahres ohne weitgehende Folgen, da eine grenzüberschreitende Strafverfolgung nur in wenigen Ausnahmefällen möglich war. Seit wenigen Monaten aber gibt es eine Zusammenarbeit: Auf Anfrage rücken die nationalen Straßenverkehrsämter die Angaben über den Besitzer eines Fahrzeug heraus. Ab 2013 soll das noch schneller gehen: Die EU-Länder räumen sich dann gegenseitig Zugriff auf die entsprechenden Datenbanken ein. "Das nützt uns aber gar nichts", sagt Ferber. "In Deutschland kann man mit den Halter-Angaben aus dem Ausland keinen Bußgeldbescheid rechtsgültig ausstellen."

Dennoch wollen die Verkehrsminister die Neuregelung mit qualifizierter Mehrheit durchsetzen, nachdem sie sich bereits von der EU-Kommission vorrechnen lassen mussten, dass das Ziel, die Zahl der Unfalltoten zwischen 2001 und 2010 zu halbieren, gründlich verfehlt wurde. Noch immer sterben auf den europäischen Straßen rund 100 Menschen am Tag. Hinzu kommt der wachsende Ärger vor Ort. So berichten die Behörden Österreichs, dass allein in der Steiermark jährlich rund 10 000 Strafverfahren gegen italienische Rowdys ins Leere laufen, weil die Halter-Anfragen der österreichischen Verkehrspolizei von den Ämtern der südlichen Nachbarn einfach ignoriert würden.

Das soll nun anders werden. Betroffen sind Delikte wie Rasen, Fahren unter Alkohol oder Drogen, Ignorieren roter Ampeln, Verletzen der Gurtpflicht, Motorradfahren ohne Helm, rechtswidriges Fahren auf dem pannenstreifen sowie Telefonieren am Steuer ohne geeignete Freisprechanlage.

Meinung

Wieder eine Chance vertan

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Wer rast oder betrunken Auto fährt, gehört bestraft. Und zwar unabhängig davon, ob er diese Delikte zuhause oder in einem anderen Land begeht. Doch die Lösung, die die Verkehrsminister nun ansteuern, wird eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Gerichte. Denn man beseitigt nicht bestehende Unterschiede, sondern ignoriert sie. Ist es zum Beispiel gerecht, einen Deutschen hinterm Steuer mit Punkten in der Flensburger Sünderkartei plus Geldbuße zu belegen, den ausländischen Fahrer aber nur mit einer Geldstrafe? Es macht keinen Sinn, ein bisher lückenhaftes System durch ein rechtlich höchst fragwürdiges zu ersetzen. Europa braucht einen einheitlichen Bußgeld-Katalog mit drastischen Strafen. Diese Chance wird leider wieder einmal vertan.

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