EU gibt Ungarn letzte Chance

Brüssel · Brüssel. Die EU-Kommission räumt Ungarn eine letzte Chance ein, um durch Gesetzesänderungen die drei Strafverfahren gegen das Land zu stoppen. Auch zwei Monate nach der vollmundigen Ankündigung von Ministerpräsident Viktor Orban im Europäischen Parlament, drei Gesetze entsprechend den europäischen Verträgen nachzubessern, hat sich wenig bis gar nichts getan

Brüssel. Die EU-Kommission räumt Ungarn eine letzte Chance ein, um durch Gesetzesänderungen die drei Strafverfahren gegen das Land zu stoppen. Auch zwei Monate nach der vollmundigen Ankündigung von Ministerpräsident Viktor Orban im Europäischen Parlament, drei Gesetze entsprechend den europäischen Verträgen nachzubessern, hat sich wenig bis gar nichts getan. "Ungarn hat auf einige der rechtlichen Bedenken der EU-Kommission zwar geantwortet. Aber wir haben noch ernsthafte Fragen im Hinblick auf mögliche Verletzungen von EU-Recht", sagte Justizkommissarin Viviane Reding in Brüssel. Im Europäischen Parlament trifft die harte Linie auf vorbehaltlose Unterstützung. "Das Land hatte lange genug Zeit die fragliche Gesetzgebung zu ändern oder auszusetzen", erklärte der CSU-Europa-Politiker Markus Ferber. "Wenn sich ein EU-Mitgliedstaat bei massiven rechtlichen Bedenken der Kommission nicht bewegt, muss es sich auch über die Konsequenzen im Klaren sein."Die ungarische Regierung teilte am Nachmittag mit, die neuen Gesetzentwürfe seien bereits am gleichen Tag beschlossen und auf den Weg gebracht worden. "Wir gehen davon aus, dass sich die Kritik damit erledigt hat", betonte ein Regierungssprecher. Es geht um drei schwere Vorwürfe. Zum einen sieht die Kommission in der vorzeitigen Pensionierung von rund 274 Richtern und Staatsanwälten den Versuch, die Unabhängigkeit der Justiz zu unterlaufen. Premierminister Orban hatte mit seiner Zweidrittel-Mehrheit im Parlament den Beginn des Ruhestandes von derzeit 70 auf 62 Jahre vorgezogen. Dadurch waren Stellen freigeworden, die er nun mit Anhängern seiner Fidesz-Partei besetzt und deren Amtszeit er zugleich auf neun Jahre verlängert hat. Damit, so die Kritiker, versuche Orban seinen Einfluss auf die Justiz bis weit über seine eigene Amtszeit hinaus zu festigen.

Der zweite Vorwurf betrifft die Ungreifbarkeit des Datenschutzbeauftragten. Anfang des Jahres war eine neue Behörde errichtet worden. Den bisherigen obersten Datenschützer hatte man dabei nicht übernommen, obwohl seine Amtszeit erst 2014 endet. Brüssel sieht in der Maßnahme den Versuch, einen missliebigen Kontrolleur der Regierung los zu werden. In beiden Fällen hat die Kommission Vertragsverletzungsverfahren eröffnet, die fortgesetzt werden.

Der dritte Vorwurf betrifft die Unabhängigkeit der ungarischen Notenbank, die Orban ebenfalls per Gesetz hat einschränken lassen. Budapest reagierte inzwischen zwar auf die Kritik der Kommission, die ist aber nicht zufrieden.

Für Orban geht es bei diesen drei Kritikpunkten um mehr als nur die Abwendung dreier peinlicher Verfahren der EU-Kommission. Ungarn gilt als hoch verschuldet und braucht schon in den nächsten Monaten dringend Geld. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat dem Nicht-Euro-Land Hilfen in Aussicht gestellt, falls die von der EU kritisierten undemokratischen Regelungen wieder zurückgenommen werden. Brüssel gab Orban nun letztmalig vier Wochen Zeit zur Korrektur. Foto: Warnand/dpa

Meinung

Weiter Druck machen

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Wenn die Kommission dem ungarischen Regierungschef seine anti-demokratischen Eskapaden jetzt durchgehen lässt, wird man alle Glaubwürdigkeit verlieren. Dabei geht es gar nicht nur um die drei jetzt kritisierten Punkte. In Brüssel wächst die Befürchtung, dass hier ein mit satter Zweidrittel-Mehrheit ausgestatteter Autokrat das Land nach seinen Vorstellungen umbauen könnte. Und das heißt vor allem: Viktor Orban beseitigt alle regierungskritischen Institutionen und besetzt sie mit eigenen Leuten, sodass seine Macht uneingeschränkt wird. Insofern ist es richtig, dass Brüssel nicht mehr nur auf Zusagen vertraut, sondern mit der Aussetzung der Vertragsverletzungsverfahren wartet, bis die Korrekturen im Gesetz stehen. Vorher darf die Kommission nicht weich werden.

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