EU bestraft und lockt Russland

Brüssel · Es sind Sanktionen mit einem großen „Ja, aber . . .“. Die EU verhängt zwar Strafmaßnahmen gegen Russland, erklärt sich jedoch zu deren rascher Aufhebung bereit. Alles hänge vom Vorgehen Moskaus ab.

Heute könnte der Tag der Entscheidung sein. "Es kann alles passieren: Entweder es beginnt ein Wirtschaftskrieg oder wir schaffen einen Durchbruch", sagte ein reichlich ermüdeter EU-Diplomat, als die EU-Mitgliedstaaten gestern nach mehrtägigen Beratungen endlich einen Beschluss gefasst hatten. Heute Früh treten die verschärften Strafen der Europäer gegen Russland in Kraft.

Die neuen Sanktionen richten sich unter anderem gegen russische Staatsbanken, Rüstungsfirmen und Unternehmen aus der Erdölförderung . Die EU will ihnen den Zugang zu europäischen Krediten erschweren. Zudem wird das Exportverbot für Technologie zur Erdölförderung ausgeweitet, ebenso die Beschränkungen zur Ausfuhr militärisch nutzbarer Güter. 24 weitere Personen belegte die EU bereits mit Konten- und Einreisesperren. Betroffen sind ostukrainische Separatisten und Meinungsführer aus der russischen Politik und Wirtschaft. Auch die USA weiteten gestern ihre Sanktionen aus.

Aber die EU boykottiert nicht nur, man lockt offenbar auch. Während die Strafmaßnahmen in Gang kommen, werden sich heute in Brüssel Vertreter der Union mit hochrangigen Politikern aus Russland und der Ukraine treffen. Wie Diplomaten bestätigten, will man dabei offenbar ein "überraschendes Angebot" auf den Tisch legen: Die EU scheint bereit, die Unterzeichnung des lange erwarteten Assoziierungsabkommens mit Kiew aufzuschieben. Das würde den russischen Unternehmen Zeit geben, sich darauf einzustellen, dass sie ab November ihre Geschäfte mit der Ukraine nach EU-Regeln abwickeln müssen. Der Vertrag soll eigentlich nächste Woche im EU-Parlament unterschrieben werden. Eine Verschiebung als letztes Angebot an Moskau , die Eskalation zu verhindern? Angeblich gibt es dafür sogar "Signale" aus dem Kreml: Wladimir Putin habe die EU wissen lassen, er sei zu einer "politischen Lösung" bereit, wenn das Assoziierungsabkommen einmal vom Tisch sei, hieß es. Darauf hofft man in Brüssel . Si e sind hart. Und sie tun weh: die verschärften Sanktionen der EU gegen Russland. Dabei haben sie eigentlich einen ganz anderen Sinn. Diese Strafmaßnahmen sollen nicht vollzogen werden, sondern Druck ausüben. Damit sich Putin endlich bewegt und den OSZE-Friedensplan akzeptiert. Dazu scheint die EU bereit, über ihren Schatten zu springen. Und man kann sich offenbar einiges vorstellen in Brüssel : eine Garantie, dass Kiew nicht in die Nato aufgenommen wird? Eine Zusage, die Anbindung auf Eis zu legen? Es könnte das Ass sein, das Putin lockt.

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