Ethikrat für Beschneidung unter Vorbehalt

Berlin/Düsseldorf. Die Mehrheit der Mitglieder im Deutschen Ethikrat hat sich gestern für eine Erlaubnis religiöser Beschneidungen ausgesprochen. Die Ethikrat-Vorsitzende Christiane Woopen hält sogar einen schnellen Kompromiss zwischen allen Mitgliedern für möglich

Berlin/Düsseldorf. Die Mehrheit der Mitglieder im Deutschen Ethikrat hat sich gestern für eine Erlaubnis religiöser Beschneidungen ausgesprochen. Die Ethikrat-Vorsitzende Christiane Woopen hält sogar einen schnellen Kompromiss zwischen allen Mitgliedern für möglich. Dieser werde sicher Regeln für die traditionelle Praxis von Juden und Muslimen enthalten, sagte sie nach der öffentlichen Sitzung. Als Beispiele nannte sie eine Pflicht zur Aufklärung und Einwilligung der Eltern. Zudem solle der Eingriff medizinisch fachgerecht und mit lokaler Betäubung durchgeführt werden. Damit lag das Gremium auf einer Linie mit dem Entschließungsantrag der Parlamentsmehrheit, der die Regierung auffordert, Rechtssicherheit herzustellen. Wie das jüdische Ratsmitglied Leo Latasch erklärte, hat das Justizministerium dies in seinem Gesetzentwurf berücksichtigt. Der ihm vorliegende Entwurf fordere eine lokale Anästhesie und eine Examinierung von Beschneidern. Er, so Latasch, könne damit "durchaus leben".Eindeutig gegen Beschneidung hat sich nur der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel ausgesprochen. Es sei "bizarr", wenn Religionsgemeinschaften eine Definitionsmacht darüber hätten, wann und wie sie einen Körper von Personen verletzen könnten. Gleichwohl gebe es eine "weltweit singuläre Pflicht gegenüber allen jüdischen Belangen", ergänzte er. Im Konflikt zwischen dem körperlichen Eingriff und der Verpflichtung gegenüber dem Judentum entstehe ein "rechtspolitischer Notstand". Einem auf die praktischen Details gerichteten Kompromiss des Ethikrats könne auch er deswegen zustimmen, sagte Merkel. Er regte an, nur geschulte Beschneider oder Ärzte für Beschneidungen zuzulassen sowie die Anwesenheit eines Anästhesisten und eine ausführliche Elternaufklärung zur Pflicht zu machen.

Der Verfassungsrechtler Wolfram Höfling mahnte, die Diskussion um Beschneidung ernst zu nehmen. Sie sei eine Stellvertreterdebatte über die Rechte von Religionsgemeinschaften sowie Rechte von Kindern allgemein. "Es ist keine Komikerdebatte", sagte Höfling mit Verweis auf eine Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hatte erklärt, Deutschland mache sich zur "Komikernation", wenn der Staat die Beschneidung verbiete.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hatte vor der Sitzung des Ethikrats vor einem "Angriff auf die jüdische Identität" gewarnt. Das Kölner Urteil , das die religiöse Beschneidung als Körperverletzung bewertet hatte, irritiere ihn "angesichts der Geschichte und unserer deutschen Geschichte mit dem Judentum schon sehr", sagte der rheinische Präses. epd/kna

Foto: dapd

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Rostock-LichtenhagenTagelang belagerten Rechtsradikale vor 20 Jahren ein Hochhaus, in dem Ausländer wohnten, und setzten es schließlich in Brand. Nur durch Glück gab es keine Toten. Es waren die schlimmsten ausländerfeindlichen Ausschreitungen in der deut
Rostock-LichtenhagenTagelang belagerten Rechtsradikale vor 20 Jahren ein Hochhaus, in dem Ausländer wohnten, und setzten es schließlich in Brand. Nur durch Glück gab es keine Toten. Es waren die schlimmsten ausländerfeindlichen Ausschreitungen in der deut