Eskalation am Persischen Golf

Riad · Die Hinrichtung eines Geistlichen in Saudi-Arabien und Proteste dagegen im Iran haben zu bedrohlichen Spannungen zwischen schiitisch und sunnitisch dominierten Staaten in der gesamten Region geführt.

Der eskalierende Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran erfasst weitere Länder der arabisch-islamischen Welt. Nach Riad kündigten die Golfmonarchie Bahrain und die Regierung des Sudan gestern ein Ende der diplomatischen Verbindungen zu der schiitischen Regionalmacht in Teheran an. Die Vereinigten Arabischen Emirate zogen ihren Botschafter aus Teheran ab und wollen diesen durch einen Geschäftsträger ersetzen.

Vorausgegangen war die Stürmung der saudischen Botschaft in Teheran durch wütende Bürger in der Nacht zum Sonntag, nachdem die Ölmonarchie am Samstag den prominenten schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr und 46 weitere Verurteilte hingerichtet hatte. Der schiitische Iran, der mit dem sunnitisch geprägten Königreich um die Vormachtstellung in der Region ringt, hatte darauf empört reagiert.

Saudi-Arabien hatte am Sonntagabend mitgeteilt, sein Botschaftspersonal bereits aus dem Iran abgezogen zu haben. Die iranischen Diplomaten hätten 48 Stunden Zeit, das Königreich zu verlassen, sagte Außenminister Adel al-Dschubair. Der iranische Vizeaußenminister Hussein Amirabdullahian bezeichnete die Entscheidung Saudi-Arabiens als "voreilig". Der iranische Vizepräsident Ishagh Dschahngiri kritisierte den Entschluss Saudi-Arabiens zum Abbruch der Beziehungen: "Die Politik der Saudis hat in den letzten Jahren für die Region nur Negatives gebracht." Die jüngste Entscheidung werde auch zu mehr Spannungen führen. Der saudische Außenminister Al-Dschubair nannte den Angriff auf die saudische Botschaft in Teheran dagegen einen "schwerwiegenden Bruch internationaler Konventionen" und warf Teheran vor, die Führer des Terrornetzwerkes Al Qaida zu schützen.

Die Bundesregierung hielt beide Staaten zur Verständigung an. Die Beziehungen beider Länder - "so konfliktreich sie sind" - seien von grundlegender Bedeutung für die Lösung der Krisen in Syrien und im Jemen sowie für die Stabilität in der gesamten Region, so Regierungssprecher Steffen Seibert . Saudis und Iraner sind in viele Konflikte der Region verwickelt. Bezüglich der Massenhinrichtung Saudi-Arabiens machte Seibert deutlich, dass derzeit keine Sanktionen ins Auge gefasst werden. Die Grünen forderten einen sofortigen Stopp der Handelsbeziehungen.

Angesichts der tiefen Krise hat US-Außenminister John Kerry seine Kollegen aus beiden Ländern in Telefonaten zu einer Beruhigung der Lage gedrängt. "Wir rufen zur Ruhe und zur Deeskalation auf", sagte ein US-Regierungsvertreter später. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief beide Länder zur Mäßigung auf. Ban habe die Außenminister aufgefordert, jede Aktion zu unterlassen, die die Situation verschärfen könnte, sagte ein UN-Sprecher in New York. Zugleich schickte Ban seinen Syrien-Gesandten Staffan de Mistura in beide Länder. Der Schwede sei auf dem Weg in die saudische Hauptstadt Riad , hieß es. Im Laufe der Woche werde er auch nach Teheran fliegen.

Das Verhältnis zwischen dem Iran und Saudi-Arabien war jahrzehntelang schwierig, die Eskalation markiert einen lange nicht erreichten Tiefpunkt. 1988 hatte Saudi-Arabien das letzte Mal die Beziehungen zum Iran abgebrochen. Die Verschärfung des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran könnte Auswirkungen auf den Export deutscher Rüstungsgüter in die Region haben. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD ), dessen Haus für Genehmigungen zuständig ist, kündigte gestern eine genaue Untersuchung an. "Wir müssen jetzt überprüfen, ob wir in Zukunft auch defensive Rüstungsgüter kritischer beurteilen müssen, die wir Saudi-Arabien bislang zur Landesverteidigung geliefert haben", sagte Gabriel. Opposition und Kirchen erneuerten indes ihre Forderung nach einem Stopp von Rüstungsexporten - auch solchen, die bereits genehmigt sind.

Gabriel sagte, es zeige sich, "dass es richtig war, weder Kampfpanzer noch die Maschinengewehre G36 nach Saudi-Arabien zu liefern". Zuvor hatte der Bund nach den Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien seinen Kurs in der Rüstungspolitik unterstrichen. Die Genehmigungspraxis sei "grundsätzlich restriktiv", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert . An den strengen Regeln solle festgehalten werden.

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