Es wird einsamer um Uefa-Boss Platini

Nyon · Nach dem Korruptionsskandal bei der Fifa hoffte der Franzose Michel Platini auf den Vorsitz beim Fußball-Weltverband. Nun droht er selbst im Sumpf zu versinken – und im eigenen Lager bröckelt die Unterstützung. Schon bringt sich ein Alternativ-Kandidat in Stellung.

Beim "Gefecht von Nyon " demonstrierte Fußball-Europa noch Einigkeit, einen Tag später war der Rückhalt für den suspendierten Uefa-Chef Michel Platini nur noch Makulatur. Die englische Football Association (FA) als einer der wichtigsten Verbände im Weltfußball versagte dem 60 Jahre alten Franzosen gestern die Unterstützung im Kampf um die Fifa-Präsidentschaft und befeuerte mit einer nebulösen Mitteilung die Zweifel an der Integrität des früheren Fußballstars. Die FA habe am Donnerstag neue Informationen zu dem Fall von Platinis Anwälten erhalten. Die Informationen müssten vertraulich behandelt werden, aber als Konsequenz könne der Verband die Unterstützung für Platini nicht mehr aufrechterhalten.

Damit ist Platinis sportpolitische Zukunft fraglicher denn je. Die öffentlichkeitswirksam verkaufte Nibelungentreue der 54 Mitgliedsverbände der Europäischen Fußball-Union Uefa zu ihm war ohnehin eher als Spiel auf Zeit zu werten: Bei der Uefa laufen längst die Debatten über einen Plan B. Schon in Nyon hatten einige Verbandsvertreter ihre Bedenken hinsichtlich Platini geäußert, der von der Fifa-Ethikkommission ebenso wie Weltverbands-Boss Joseph Blatter für 90 Tage suspendiert wurde.

Immerhin hatten sich die Europäer bei dem "Gefecht" in der Uefa-Zentrale am Genfer See - so beschrieb die Zeitung "20 minutes" die heftigen und kontroversen Debatten vom Donnerstag - darauf verständigt, Platini das Recht einzuräumen, seinen Ruf wiederherzustellen. Der Uefa-Chef muss sich wegen einer umstrittenen Zwei-Millionen-Zahlung von Blatter verantworten. Juristisch und moralisch. Noch immer gibt es keine schlüssige Erklärung dafür, warum das Geld erst neun Jahre nach angeblichen Dienstleistungen gezahlt wurde und warum es keine schriftliche Vereinbarung dazu gab. Überzeugen konnte Platini seinen Verband offenbar nicht. Aktuell scheint es unmöglich, dass Platini nach Ende der Bewerbungsfrist am 26. Oktober die Integritätsprüfung der Ethikkommission übersteht und zur Wahl als neuer Fifa-Boss zugelassen wird.

Geht es nach Meinung von Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger , sollte das komplette Exekutivkomitee des Weltverbandes zurücktreten. Die Fifa befinde sich "in der Hand der Staatsanwaltschaften und in der Hand des FBI ", sagte Zwanziger dem "Spiegel". "Die verbliebenen, nicht suspendierten Mitglieder des Exekutivkomitees müssen geschlossen zurücktreten." Laut Zwanziger muss ein Übergangskomitee gebildet werden. Es solle eine neue Verfassung mit modernen Anti-Korruptions-Elementen wie Amtszeitbegrenzung oder Leumundsprüfungen ausarbeiten. Erst danach könne eine neue Fifa-Führung gewählt werden.

Am Dienstag trifft DFB-Boss Wolfgang Niersbach in Zürich seine Kollegen aus der Fifa-Regierung. Spätestens dann werden wohl weitere Weichen gestellt: Sollte es einen europäischen Alternativ-Kandidaten geben, auf den sich im besten Fall die Uefa-Nationen einigen können, auch wenn dieser nicht Platini heißt? Gehandelt werden der Niederländer Michael van Praag und der Deutsche Niersbach. Van Praag ließ bereits durchblicken, dass er gesprächsbereit sei, auch wenn er sich "erst mal zurückhalten und das Ergebnis der juristischen Verfahren abwarten will." Niersbach verließ die Uefa-Zentrale ohne Kommentar.

Ob es einen Fifa-Präsidenten Platini geben kann und wird, entscheidet sich vermutlich schon sehr bald. Juristisch muss letztinstanzlich der Internationale Sportgerichtshof urteilen. Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino räumte in der Debatte über den Plan B aber bereits ein: "Was immer in den nächsten Tagen passiert, wird diskutiert werden. Wenn jemand anderes sich auftut, dann wird man sehen."

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