Es ist die Zeit der „einsamen Wölfe“

Ein Lkw als Waffe – aus Sicht des Terrorismus-Forschers Rolf Tophoven ist das nicht überraschend. Es habe entsprechende Aufrufe des IS gegeben, sagte Tophoven im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß.

Herr Tophoven, ist ein Lkw als Waffe eine neue Qualität des Terrors?

Tophoven: Nein, das Vorgehen des Täters ist nicht überraschend. Es hat schon vor längerer Zeit einen Aufruf des IS gegeben, man möge nicht nur mit Bomben, Messern und Kalaschnikows, sondern auch mit Fahrzeugen die Ungläubigen angreifen. In Nizza war der Lkw die Waffe. Außerdem gab es die Aufforderung, nicht unbedingt nach Syrien oder in den Irak zu kommen, sondern in den Ländern zu bleiben, deren Sprache und Sozialisierung man kennt. Um dort Anschläge mit vielen Toten zu verüben.

Macht das den Terror für die Sicherheitsbehörden unberechenbarer?

Tophoven: Absolut. Es gibt derzeit zwei typologische Formen: das terroristische Netzwerk, wie es in Paris und Brüssel zugeschlagen hat. Und den Einzeltäter, den sogenannten einsamen Wolf. Dieser Typus ist offenbar im Moment am Zuge: Es gab die Morde an dem französischen Polizistenpaar, dann kam das Attentat von Orlando und jetzt Nizza. Das alles muss man auch in den Zusammenhang setzen, dass der IS derzeit in Syrien und im Irak Rückschläge erlebt. Von daher macht eine Anschlagsserie in Europa aus Perspektive des IS durchaus Sinn.

Warum so oft Frankreich?

Tophoven: Man muss das perfekte Timing, die Perfidie des Anschlags berücksichtigen. Während der EM gab es keine schweren Angriffe, dann sollte jetzt der Ausnahmezustand aufgehoben werden, und der französische Nationalfeiertag wurde gefeiert. Das ist seitens des Täters offenbar bedacht worden. Grundsätzlich muss man sagen, in Frankreich gibt es die Elendsviertel, die einen fruchtbaren Boden für Rekrutierungen und die Hassbildung potenzieller Täter bieten. Vor allem unter den nordafrikanisch-stämmigen Bürgern. Dann ist Frankreich eine sehr freizügige und offene Gesellschaft. Jedes Attentat ist damit auch ein besonderer Schlag gegen die westliche Lebensqualität .

Verändert sich jetzt die Sicherheitslage in Deutschland?

Tophoven: Ich glaube nicht, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland ihre Maßnahmen weiter verschärfen werden. Aber: Es besteht auch in unserem Land weiterhin eine hohe Gefahr. Ein Anschlag ist nicht ausgeschlossen. Gegen Täter, die sich fanatisieren und bereit sind, ihr eigenes Leben zu opfern, hat man kaum eine Chance.

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