„Es ist das gleiche Spiel wie 1976“

Als die Unionsfraktion 1976 kurz vor dem Zerbrechen stand, war Hans-Werner Müller (73) aus Nunkirchen gerade für die CDU in den Bundestag eingezogen. Ob die Situationen damals und heute vergleichbar sind, darüber sprach er mit SZ-Redakteurin Stefanie Marsch.

Herr Müller, wie haben Sie 1976 die drohende Spaltung zwischen CDU und CSU erlebt?

Müller: Das war schon ein Schlag, gerade für uns junge Abgeordnete. Ich war damals 34 und hatte mich von ganz unten hochgekämpft. Als die CSU dann die Entscheidung zur Trennung traf, dachte ich, das war es jetzt wieder, wenn wir Konkurrenz aus der eigenen Parteienfamilie bekommen.

Wie war die Stimmung unter den Abgeordneten? Gab es Streit?

Müller: Die Stimmung war völlig entkrampft. Im politischen Alltagsgeschäft hatte es in all den Jahrzehnten zuvor keine großen Unterschiede zwischen CDU und CSU gegeben. Und jetzt wussten alle, das ist ein Gigantenkampf zwischen Kohl und Strauß, der aus dem Frust über die verlorene Bundestagswahl entstand.

Damals war es also ein Machtkampf, heute geht es sehr stark um Inhalte. Sind die Situationen überhaupt vergleichbar?

Müller: Natürlich sind sie das. Damals war es die Ostpolitik, heute ist es die Flüchtlingspolitik . Und es ist das gleiche Spiel. Seehofer pustet die Backen auf. Aber man darf nicht meinen, dass die CSU geschlossen hinter ihm steht. Diejenigen, die nicht mit seinem Kurs einverstanden sind, gibt es auch. Sie kommen nur nicht so prominent zu Wort.

Sie glauben also nicht, dass die Union an der Flüchtlingspolitik zerbrechen wird?

Müller: Nein. Ich sehe das ganz gelassen. Je näher die Bundestagswahl rückt, desto größer werden die Zwänge, wieder fest zusammenzustehen. Dafür werden auch die CDU-Spitzen aktiv etwas tun müssen, aber das wird sich schon einrenken. Es steht zu viel auf dem Spiel. Außerdem ist es meine feste Überzeugung, dass unterhalb der höchsten Ebenen kein großer Dissens besteht. Die Flüchtlingspolitik ist ohne Zweifel eine historische Herausforderung, aber wir werden das durchstehen.

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