Erstes Lebenszeichen der Geiseln

Abuja · Vier Wochen nach der Entführung von Hunderten Mädchen in Nigeria gibt es etwas Hoffnung: Die Islamisten veröffentlichen ein Video, in dem die Mädchen zu sehen sind. Die EU fordert ihre sofortige Freilassung.

Die nigerianische Islamistengruppe Boko Haram will die vor vier Wochen entführten Schülerinnen als Geiseln zur Freipressung inhaftierter Sektenmitglieder benutzen. "Wir werden die Mädchen niemals freilassen, bevor Ihr unsere Brüder freigelassen habt", sagte Boko-Haram-Anführer Abubakar Shekau in einem Video, das gestern verbreitet wurde.

Shekau sagte in dem 17 Minuten langen Video, einige der mehr als 200 verschleppten Mädchen seien vom Christentum zum Islam konvertiert: "Diese Mädchen, um die Ihr Euch so sorgt, haben wir befreit. Und wisst Ihr, wie wir sie befreit haben? Diese Mädchen sind Muslime geworden." Er trat in Militäruniform mit einer automatischen Waffe vor die Kamera. Anschließend waren in dem Video etwa 130 Mädchen beim gemeinsamen Gebet zu sehen. Sie trugen graue oder schwarze Schleier, die den ganzen Körper außer dem Gesicht bedeckten. Sie lasen unter freiem Himmel und umgeben von Bäumen die erste Sure des Koran. Anschließend wurden drei der Schülerinnen befragt. Zwei sagten, sie seien vom Christentum zum Islam konvertiert, während die dritte angab, bereits Muslimin gewesen zu sein.

Shekau bezeichnete die angeblich konvertierten Mädchen als "Schwestern". Im Gegenzug gegen die Freilassung inhaftierter Sektenmitglieder dürften nur diejenigen Mädchen zu ihren Familien zurückkehren, die nicht konvertiert seien. Vor einer Woche hatte der Sektenführer noch gedroht, die Schülerinnen zu versklaven oder zwangszuverheiraten. Auf die Frage, ob die Regierung den Vorschlag der Extremisten ablehnen werde, sagte der nigerianische Innenminister Abba Moro: "Ja natürlich!" Es komme nicht in Frage, dass die Aufständischen von Boko Haram Bedingungen setzten.

Die Islamisten hatten Mitte April eine Schule in der Stadt Chibok im nordöstlichen Staat Borno überfallen und 276 überwiegend christliche Schülerinnen verschleppt. Einige der Mädchen konnten fliehen, doch werden noch immer 223 vermisst. Vor einer Woche entführte die Gruppe elf weitere Mädchen. Die USA, Großbritannien und Frankreich schickten Polizei- und Militärexperten nach Nigeria, um bei der Suche nach den Mädchen zu helfen. Die EU-Außenminister verurteilten die Entführung der Mädchen bei einem Treffen in Brüssel scharf und verlangten deren sofortige Freilassung. Die Tat sei ein Angriff auf die Menschenrechte, erklärten sie.

Die Boko-Haram-Extremisten werden auch als Taliban Nigerias bezeichnet, der Name der Organisation bedeutet übersetzt etwa: "Westliche Bildung ist Sünde." Seit 2009 verübt die Gruppe immer wieder Anschläge auf Polizei, Armee und Behörden, aber auch auf Kirchen und Schulen. Allein in diesem Jahr wurden fast 2000 Menschen bei Angriffen der Gruppe getötet.

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