Fall Kashoggi Erdogan wirft Saudis „politischen Mord“ vor

Ankara · Im Fall des verschwundenen Journalisten Khashoggi inszeniert sich der türkische Präsident als Aufklärer – ohne Beweise zu nennen.

 Der Fall Khashoggi sei ein „geplantes Verbrechen“, sagte der türkische Präsident Erdogan gestern, und forderte eine „unanbhängige Untersuchung“.

Der Fall Khashoggi sei ein „geplantes Verbrechen“, sagte der türkische Präsident Erdogan gestern, und forderte eine „unanbhängige Untersuchung“.

Foto: dpa/Ali Unal

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Tötung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi als „politischen Mord“ bezeichnet, der von einem aus Saudi-Arabien entsandten Kommando Tage im Voraus „geplant“ worden sei. Von der Führung in Saudi-Arabien verlangte er gestern Aufklärung, „wer den Befehl für das Verbrechen“ gegeben habe. Die Verdächtigen müssten in der Türkei vor Gericht gestellt werden, forderte er.

„Bisher zeigen alle Fakten und Beweise, die gefunden worden sind, dass Jamal Khashoggi Opfer eines brutalen Mordes geworden ist“, sagte Erdogan in der weltweit beachteten Rede vor seiner Fraktion im Parlament in Ankara. Die Staatengemeinschaft werde nicht Ruhe geben, bevor „nicht alle beteiligten Personen, die Ausführenden wie die Auftraggeber, bestraft wurden“. Um das Verbrechen aufzuklären, sei eine „unabhängige Untersuchungskommission“ notwendig. Von Saudi-Arabien verlangte er Aufklärung, „wer den Befehl für das Verbrechen“ gegeben habe und wo sich der Leichnam Khashoggis befinde. „Warum bleibt die Leiche unauffindbar?“, fragte er.

Saudi-Arabien hatte am Samstag unter internationalem Druck zugegeben, dass der Regierungskritiker im Istanbuler Konsulat zu Tode kam; er sei dort bei einer „Schlägerei“ getötet worden. Weltweit stößt diese Darstellung aber auf Skepsis, nachdem Riad wochenlang versichert hatte, dass Khashoggi das Konsulat lebend verlassen habe. Mit seinen Äußerungen widerspricht Erdogan nun klar der Darstellung Riads. Erdogan vermied es aber, den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman beim Namen zu nennen, der im Verdacht steht, die Tötung seines Kritikers Khashoggi in Auftrag gegeben zu haben.

Türkische Medien veröffentlichten in den vergangenen Tagen zahlreiche Details aus den Polizeiermittlungen, die auf eine direkte Verbindung der Täter zu dem einflussreichen Thronfolger hinweisen. Erdogan forderte zudem, den 18 in dem Fall festgenommenen Saudi-Arabern in der Türkei den Prozess zu machen. Aus Riad habe er gehört, dass darunter auch die 15 Männer seien, die zu dem Angriff auf Khashoggi nach Istanbul gereist seien, sagte Erdogan. Er zeigte sich „zuversichtlich“, dass Saudi-Arabiens König Salman bei den Ermittlungen kooperieren werde.

Die saudische Regierung hielt sich gestern weiter bedeckt. Aus Riad hieß es nur, man wolle alle Verantwortlichen für die Tötung Khashoggis zur Rechenschaft ziehen. Dabei sei es unerheblich, „wer auch immer sie sein mögen“. Das Königreich habe Maßnahmen ergriffen, um „die Wahrheit aufzudecken“ und die Verantwortlichen zu bestrafen.

Erdogan präsentierte gestern die Ergebnisse der türkischen Ermittlungen im Fall. Demnach wurde der Plan zur Ermordung des „Washington Post“-Kolumnisten bereits nach dessen erstem Besuch im Konsulat am 28. September gefasst. Einen Tag vor seinem zweiten Besuch im Konsulat am 2. Oktober sei dann ein saudisches Kommando nach Istanbul geschickt worden. Mehrere Mitglieder des Teams hätten den Belgrader Wald im Norden der Metropole sowie die Gegend um die Stadt Yalova am Marmarameer erkundet, sagte Erdogan. Am 2. Oktober sei dann ein zweites Team in Istanbul gelandet und habe sich ebenso wie die erste Gruppe in das Konsulat begeben, wo Khashoggi am frühen Nachmittag eingetroffen sei.

Laut Erdogan wurde das Videoüberwachungssystem des Konsulats zuvor absichtlich abgeschaltet. Belege für seine Darstellung der Ereignisse präsentierte Erdogan nicht. Auch eventuelle Audio- und Videoaufnahmen erwähnte er nicht.

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