Erdogan versetzt hunderte Polizisten

Ankara · Der Machtkampf in der Türkei tobt weiter. Ministerpräsident Erdogan enthebt hunderte führende Polizisten ihrer Posten. Sie gehören den „Gülencis“ an – einer Gruppe , die dem Staatschef Korruption vorwirft.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion 350 Polizeibeamte aus der Hauptstadt versetzen lassen. Ersetzt wurden die Beamten durch 250 Polizisten von außerhalb Ankaras. Die Säuberung soll das Netzwerk von Anhängern des islamischen Predigers Fethullah Gülen im Staatsapparat zerschlagen. Außerdem will Erdogan einen Monat nach Beginn der Korruptionsaffäre sicherstellen, dass seine Regierung künftig von treuen Beamten von allen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen das Umfeld der Regierung informiert wird.

Kritiker sehen bei Erdogan eine bedenkliche Tendenz zur Auflösung der Gewaltenteilung: Die Regierung wolle alle wichtigen Staatsorgane unter ihre Kontrolle stellen. Auch in der EU, die Erdogan noch in diesem Monat besuchen will, dürfte das nicht gut ankommen.

Seit dem Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe Mitte Dezember sind nach einer Zählung der Online-Ausgabe der Zeitung "Hürriyet" vom Dienstag rund 1700 Polizeibeamte auf neue Dienststellen versetzt oder vom Dienst suspendiert worden. Die Säuberung betrifft viele hochrangige Beamte wie Polizeichefs ganzer Städte und die Abteilungsleiter für die Bekämpfung von Terror-, Finanz- und Schmuggeldelikten. In Ankara wurden hohe Polizeioffiziere zur Verkehrspolizei oder in Landkreise außerhalb der Hauptstadt geschickt.

Mit den Umschichtungen will die Regierung loyale Gefolgsleute auf Schlüsselpositionen hieven, die Erdogans Leute vor etwaigen neuen Ermittlungen der Justiz oder Festnahmen schützen können. Weiter bilden aus Sicht Erdogans Gülen-Anhänger gefährliche Seilschaften im Staatsapparat und intrigieren gegen die gewählte Regierung. Der Ministerpräsident spricht von "parallelen Strukturen" in den Behörden, die den Umsturz vorbereiteten.

Erst vor wenigen Tagen hatte ein ranghoher Politiker der Erdogan-Partei AKP gesagt, die Regierung verfüge über eine Liste von 2000 Personen, die sich zu einem "parallelen Staat" zusammengetan hätten. Erdogan dementierte dies, doch die Massenversetzungen sprechen dafür, dass die Regierung sehr wohl mutmaßliche Gülen-Anhänger in der Bürokratie vorgemerkt hat.

Der 1999 aus der Türkei in die USA geflohene Gülen hat viele Anhänger in der Türkei, auch im Staatsapparat. In den letzten Jahren waren Unterstützer des 72-Jährigen zu einer Art Marsch durch die Institutionen aufgebrochen, um das früher strikt säkularistische System in ihrem Sinne zu verändern. Heute bilden die "Gülencis" eine mächtige Gruppe in der Bürokratie und spielten als Helfer Erdogans bei der Entmachtung der Militärs eine wichtige Rolle. Das informelle Bündnis zwischen Gülen und Erdogan ist allerdings zerbrochen. Die "Gülencis" werfen Erdogan autoritäre Tendenzen vor; der Premier ist der Meinung, nach drei Wahlsiegen nicht mehr auf ihre Unterstützung angewiesen zu sein. Der Korruptionsskandal, hinter dem Erdogan die Gülen-Bewegung vermutet, hat den Bruch zementiert.

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