Engel der Armen oder Höllenengel?

Rom · Die Heiligsprechung von Mutter Teresa passt zur Linie von Papst Franziskus. Der Vatikan bereitet sich auf ein Riesenereignis vor. Doch an der Entscheidung scheiden sich die Geister.

Am Petersplatz findet am Sonntag eines der wohl größten Ereignisse in der bisherigen Amtszeit von Papst Franziskus statt: Mutter Teresa wird heiliggesprochen. Hunderttausende Menschen und zahlreiche internationale Delegationen werden erwartet, um der kleinen Nonne mit dem weiß-blauen Ordensgewand fast 20 Jahre nach ihrem Tod die Ehre zu geben. Die Heiligsprechung liegt ganz auf einer Linie mit dem Heiligen Jahr, das Papst Franziskus für dieses Jahr ausgerufen hatte. Das Thema: Barmherzigkeit. Denn Mutter Teresa steht wie kaum jemand anderes für das Engagement für die Armen. "Sie ist die perfekte Heilige für das Jahr der Barmherzigkeit", sagte gestern Pater Brian Kolodiejchuk, der die Heiligsprechung mit vorangetrieben hat. Vatikan-Experte Marco Politi sagte: Die Tatsache, dass Mutter Teresa Zeit ihres Lebens an Gott gezweifelt hätte, mache sie umso aktueller. "In der Moderne kann man nicht mehr an den Gott des Mittelalters glauben", sagte Politi. Jemand, der an Gott zweifelt, kann durchaus heilig sein. Auch für Franziskus seien Nichtgläubige nicht "minderwertiger".

Die Nonne wurde 1910 im heutigen Mazedonien geboren und wuchs unter dem Namen Agnes Gonxha Bojaxhiu in einer albanischen Familie auf. Zeit ihres Lebens hat sie sich mit ihrem Orden "Missionarinnen der Nächstenliebe" im indischen Kalkutta um die Armen und Sterbenden gekümmert. Dafür bekam sie 1979 den Friedensnobelpreis und wurde zu einer Ikone der Nächstenliebe. So schnell wie Mutter Teresa wurden bisher wenige heilig gesprochen, in modernen Zeiten war es nur Papst Johannes Paul II. Sechs Jahre nach ihrem Tod im Jahr 1997 wurde sie von ihm selig gesprochen.

Der Filmemacher Tariq Ali nannte die Heiligsprechung "lächerlich" und "dumm". 1994 hatte er mit seinem 2001 verstorbenen Kollegen Christopher Hitchens die Dokumentation "Höllenengel" gedreht und Missstände in Mutter Teresas Heimen angeprangert - sowie ihre Freundschaft zu Diktatoren wie dem früheren haitianischen Machthaber Jean-Claude Duvalier .

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