Ende der „Spähaffäre“ ist nicht absehbar

Berlin · Die Affäre um das massenhafte Ausspähen elektronischer Daten – vor allem durch den US-Geheimdienst NSA – geht weiter: SPD-Chef will die Freihandelszone auf Eis legen, Piraten fordern Neuordnung der Nachrichtendienste

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat den Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den USA von einem Ende des Ausspionierens europäischer Regierungen durch US-Geheimdienste abhängig gemacht. Die Bundesregierung müsse sagen, "es gibt kein Freihandelsabkommen mit Zustimmung Deutschlands zwischen Europa und den USA, solange Ihr Regierungsstellen abhört", sagte Gabriel am Freitag im Deutschlandfunk. Den Amerikanern müsse klar gesagt werden, "dass wir erwarten, dass in Deutschland deutsches Recht eingehalten wird". In diesem Zusammenhang kritisierte der SPD-Chef einen zu zurückhaltenden Umgang der Bundesregierung mit der Spähaffäre. "Die Bundesregierung muss deutsches Recht und deutsche Interessen vertreten", verlangte der SPD-Chef. Es dürfe nicht länger hingenommen werden, dass ausländische Geheimdienste täglich 15 Millionen E-Mails überwachten. Der SPD-Chef forderte auch die Bundesanwaltschaft auf, deswegen Ermittlungen einzuleiten. Dabei solle auch beantragt werden, den US-Enthüller Edward Snowden im Ausland als Zeugen zu vernehmen.

Auch Bundespräsident Joachim Gauck hat sich mit deutlichen Worten in die Debatte über die US-Datenüberwachung eingeschaltet. Diese Affäre beunruhige ihn sehr, sagte Gauck. "Die Angst, unsere Telefonate oder Mails würden von ausländischen Nachrichtendiensten erfasst und gespeichert, schränkt das Freiheitsgefühl ein - und damit besteht die Gefahr, dass die Freiheit an sich beschädigt wird." Das Staatsoberhaupt ließ indirekt auch Respekt für Snowden, den Enthüller der US-Ausspähung, erkennen.

SPD-Geheimdienstexperte Michael Hartmann sieht nach der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur US-Spähaffäre weiteren Aufklärungsbedarf und rechnet mit mindestens zwei weiteren Sitzungen. Die Sitzung am Donnerstag, bei der Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und die Chefs der Geheimdienste Auskunft gaben, bewertete Hartmann positiv. Allerdings wisse er immer noch nicht, was die Amerikaner alles in Deutschland ausspioniert hätten. Derweil fordert Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als Konsequenz aus der "Spähaffäre" eine Reform der Geheimdienstkontrolle auf EU-Ebene. "Wir brauchen in den Mitgliedsstaaten gemeinsame Standards zur Weitergabe von Informationen, eine stärkere parlamentarische Kontrolle und schließlich regelmäßigen intensiven Austausch zwischen den Kontrollgremien", sagte die Ministerin am Freitag.

Die Piratenpartei versucht indes, sich mit Hilfe des Spähskandals aus dem Umfragetief zu ziehen. Wegen einer möglichen Verwicklung deutscher Geheimdienste in die Affäre haben die Piraten eine Neuordnung der Nachrichtendienste gefordert. "Man muss auch Dienste auflösen können. Das darf nicht ausgeschlossen sein", sagte der Parteivorsitzende Bernd Schlömer am Freitag in Berlin. Darüber hinaus legte Schlömer Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den Rücktritt nahe, sollten sich Vorwürfe gegen deutsche Dienste bestätigen.

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