Einsatz auf Kante genäht

Berlin. 3500 und keinen Mann mehr. So viele Soldaten darf die Bundeswehr laut Bundestagsbeschluss maximal nach Afghanistan schicken. Doch damit kommt die Einsatzführung immer schlechter aus. So wird die Grenze wegen eines Kontingentwechsels derzeit für einige Tage mit 3800 deutlich überschritten - ein klarer Verstoß

Berlin. 3500 und keinen Mann mehr. So viele Soldaten darf die Bundeswehr laut Bundestagsbeschluss maximal nach Afghanistan schicken. Doch damit kommt die Einsatzführung immer schlechter aus. So wird die Grenze wegen eines Kontingentwechsels derzeit für einige Tage mit 3800 deutlich überschritten - ein klarer Verstoß. Eine neue Obergrenze fordert deshalb vehement der Bundeswehrverband. Für die große Koalition ist das Thema angesichts sinkender Zustimmung in der Bevölkerung aber heikel.

So hat man Oberst Bernhard Gertz (Foto: dpa) selten erlebt. Entschlossen zu allem hatte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes gestern kurzfristig zum Pressetermin geladen. Er wolle Klartext reden. Wegen der ab Sommer zusätzlich von Norwegen übernommenen Aufgabe, eine Schnelle Eingreiftruppe zu stellen, müsse die Bundeswehr jetzt kurzfristig 330 andere Dienstposten aus Afghanistan abziehen, um die Höchstzahl einzuhalten.

Und zwar solche mit wichtigen Funktionen. So könne das Luftüberwachungs-Radar künftig nicht mehr rund um die Uhr laufen, sondern werde nur noch in einer Schicht bedient. Auch würden Brandschutzkräfte heimgeschickt. "Das alles hat sicherheitsrelevante Folgen" schimpfte Gertz und forderte eine Aufstockung auf 4000 Mann, noch bevor der Bundestag im Oktober über das Mandat für 2009 debattiert. Alles andere sei "nicht verantwortlich". Das ist Öl in ein Feuer, das die Koalition im Februar eingedämmt zu haben glaubte. Damals wurde bekannt, dass die Bundeswehr eine Anhebung sogar auf 4500 Soldaten für notwendig hält, um flexibler zu sein. Das stieß nicht nur auf heftigen Widerstand bei der Opposition, auch in der Regierungskoalition zeigte man Nerven. So verkündete SPD-Chef Kurt Beck sogleich, eine solche Zahl sei "weit außerhalb dessen, was für uns vorstellbar ist", während sich sein Parteifreund, Fraktionschef Peter Struck, offen für eine Anhebung zeigte. Am kräftigsten war der Widerstand in der CSU, die vor Landtagswahlen steht. Landesgruppenchef Peter Ramsauer sprach von einer "Salamitaktik" bei der Ausweitung der Soldatenzahl und forderte stattdessen eine "Exit-Strategie". Kanzlerin Angela Merkel hielt sich bedeckt. Über das neue Mandat werde man erst im Sommer beraten, ließ sie verlauten. SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow meinte gestern, entscheidend werde dann sein, was die militärische Führung vorschlage. Wenn Gertz Gründe habe, schon jetzt eine Anhebung zu fordern, "dann ist das ernst zu nehmen, und dann muss der Verteidigungsminister dazu Stellung nehmen", meinte Kolbow.

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