Eine „strategische Freundschaft“

Berlin/Wien · Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), plant eine Sondersitzung, falls sich der Verdacht von Hackerangriffen auf Handys von Ausschussmitgliedern oder deren Mitarbeiter bewahrheitet. Er sei davon allerdings nicht überrascht, sagt Sensburg im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß.

Die Außenminister Deutschlands und der USA wollen sich dafür einsetzen, dass die Affäre um US-Spione auf deutschem Boden die Beziehungen beider Staaten nicht nachhaltig trübt. Deutsch-amerikanische Kooperation sei notwendig, um die vielen weltweit drängenden Konflikte "einer Lösung wenigstens näher zu bringen", sagte Frank-Walter Steinmeier (SPD ) nach einem Treffen mit John Kerry am Wochenende. Dies sage er auch mit Blick auf "manche Beschwernisse" in den zurückliegenden Wochen.

Dabei erweisen sich die Beschwernisse der vergangenen Wochen mittlerweile als Spionageaffäre im Stile eines Jean-le-Carré-Romans. Mehrere Medien haben das jahrelange Katz-und-Maus-Spiels detailreich zusammengetragen.

Dabei geht es einerseits um den Politikberater des deutschen Kommandeurs der KFOR-Truppen im Kosovo, der 2010 beim Verfassungsschutz als russischer Spion angezeigt wurde. Doch der polyglotte Deutsche unterhielt, so zeigten Ermittlungen, statt der Beziehungen zu Russland enge Kontakte zu einem Amerikaner, der wohl den US-Diensten angehörte. Um zu ermitteln, ob der Amerikaner Führungsoffizier oder nur Freund war, fragten die Ermittler wiederum beim Bundesnachrichtendienst (BND). Dort wiederum saß ein junger Beamter des mittleren Dienstes, unauffällig, mit Sprachfehler, der diese Informationen nutzte, um Kontakte zur russischen Seite zu knüpfen. Aus der erhofften Spionagetätigkeit für die Russen wird nichts - die deutsche Spionageabwehr fängt seine Mail an das Generalkonsulat ab. Als dieser mutmaßliche Spion endlich identizifiert und verhört wird, soll er vor zwei Wochen den erstaunten Ermittlern erzählt haben, dass er schon seit zwei Jahren für einen ausländischen Sicherheitsdienst arbeitete - jedoch nicht für die Russen, sondern die Amerikaner. Bei Treffen in Österreich will er 218 Dokumente übergeben und 25 000 Euro erhalten haben. Zwei US-Kontaktmänner soll der 31-Jährige gehabt haben - die Bundesanwaltschaft versucht nun wohl, auch diese beiden zu identifizieren.

Was folgte, ist bekannt - die Inhaftierung des BND-Mannes, die Durchsuchung beim Ministeriumsmitarbeiter, die Ausreise-Aufforderung an den obersten US-Geheimdienstvertreter in Deutschland.

Letztlich scheinen es doch nur mittelgroße Ursachen zu sein, die die große Vertrauenskrise über den Atlantik hinweg ausgelöst haben. Es ist auch die Vorgeschichte der gesamten Enthüllungen über die gigantischen NSA-Ausspähungen, die das Ausmaß der heutigen Empörung erklärbar macht - und die schmallippigen Reaktionen aus Amerika, wo Spionage unter Freunden offenbar als etwas Normales betrachtet wird. Offen ist, was noch herauskommt. Laut "Bild am Sonntag" spionieren mehr als ein Dutzend Regierungsmitarbeiter für die Amerikaner. Herr Sensburg, ist mit ihrem Handy alles in Ordnung?

Sensburg: Ich habe an meinem Handy noch nichts Ungewöhnliches festgestellt.

Handys von Mitgliedern des NSA-Ausschusses oder von deren Mitarbeitern sollen gehackt worden sein. Wie bewerten Sie das?

Sensburg: Sollte es so sein, dass die Telefone infiltriert worden sind, dann ist das ein schwerwiegender Vorfall. Ich werde jetzt alle Ausschussmitglieder dazu auffordern, ihre Handys schnellstmöglich überprüfen zu lassen. Sollte sich der Verdacht erhärten, schließe ich eine Sondersitzung des Untersuchungsausschusses nicht aus.

Überrascht Sie die Spähattacke?

Sensburg: Ich habe nicht geglaubt, dass wir unbeobachtet arbeiten werden. Ein Untersuchungsausschuss, der sich mit den Nachrichtendiensten beschäftigt und deren Arbeit in Frage stellt, der ist ein Ausspähobjekt.

Inwieweit werden sich die Vorfälle auf die Ausschussarbeit auswirken?

Sensburg: Wir müssen wachsam sein. Wir untersuchen seit drei Monaten laufende Sachverhalte. Auch ist die Tür für Edward Snowden als Zeuge aus meiner Sicht noch nicht zu. Obwohl die Gemengelage in dieser Frage derzeit schwierig ist. Wir werden also immer wieder neue brisante Erkenntnisse ans Tageslicht fördern. Darauf sollte sich jeder einstellen.

Das komplette Interview lesen Sie unter www.saarbruecker-zeitung.de/berliner-buero

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