Eine schmerzhafte Vorschrift

Berlin · Die Medikation für Parkinson ist kompliziert. Jede kleine Änderung kann Probleme verursachen. Experten fordern deshalb, Apotheken bei diesen Patienten von der Pflicht, günstigere Ersatzpräparate auszugeben, zu entbinden.

Box-Legende Muhammed Ali leidet daran. Der kürzlich verstorbene Stardirigent Kurt Masur war ebenfalls betroffen. An Parkinson kann praktisch jeder Mensch im fortgeschrittenen Alter erkranken. Ärzte und Lobby-Gruppen schlagen nun Alarm: Durch eine gesetzliche Besonderheit hätten Patienten zusätzliche Probleme. Für sie wird deshalb eine Ausnahmeregelung gefordert.

Gestörte Bewegungsfähigkeit, Trippelschritte, eingeschränkte Mimik und eine zittrige Handschrift zählen zu den Symptomen der unheilbaren Erkrankung. Rund 300 000 Menschen sind allein in Deutschland betroffen. Um ihren Alltag erträglich zu gestalten, benötigen sie eine Kombination von bis zu 30 Medikamenten am Tag, weil zumeist auch noch andere Erkrankungen hinzukommen. Die Herausforderung für den Arzt besteht darin, eine passende Kombination der Mittel inklusive Dosierung zu finden. Mit fortschreitender Krankheit werden die Intervalle immer kürzer, in denen ein Patient zur Neueinstellung muss. "Diese Einstellung ist stets individuell. Es geht um eine maßgeschneiderte Therapie", sagt Friedrich-Wilhelm Mehrhoff, Geschäftsführer der Deutschen Parkinson Vereinigung.

Eine besondere Vorschrift im deutschen Gesundheitswesen sorgt nach Einschätzung von Mehrhoff jedoch für "zusätzliches Leid" bei den Patienten . Gemeint ist die sogenannte Aut-idem-Regelung. Danach sind Apotheken zum Ersetzen von Arzneien durch wirkstoffgleiche, aber kostengünstigere Mittel (Generika) verpflichtet. Was den Kassen enorme Kosten spare, sei für Parkinson-Patienten jedoch medizinisch unzumutbar, sagt Mehrhoff. Denn selbst erlaubte Abweichungen innerhalb einer Wirkstoffklasse könnten bei ihnen zu großen Wirkungsschwankungen führen. Nach einer Umfrage seines Verbandes haben 80 Prozent der Betroffenen nach einem Medikamententausch Probleme.

Die Kosten sollten eigentlich kein Problem sein. Der Jahresbedarf an Medikamenten gegen Parkinson schlägt mit etwa 3650 Euro pro Patient zu Buche, sagt Thomas Müller , Neurologe und Chefarzt am Berliner St. Joseph Krankenhaus. Bei Krebspatienten kann eine moderne Therapie 20 Mal teurer kommen. Obendrein sind von den etwa 25 marktüblichen Arzneien bereits nahezu alle Generika. Hier noch Sparpotenziale zu vermuten, hält Müller daher für absurd. "Da reden wir über Cent-Beträge." Umgekehrt fielen jedoch Mehrkosten an, wenn Patienten wegen der Umstellung ins Krankenhaus müssten.

Die Forderung, Parkinson-Betroffene von der Aut-idem-Regelung auszunehmen, findet in Berlin allerdings kein Gehör. "Wir sehen keinen Änderungsbedarf", hieß es schon Mitte 2015 aus dem Gesundheitsministerium, als sich der Bundestag mit einer Petition von immerhin 58 000 Unterstützern beschäftigte. Auch der Gemeinsame Bundesausschuss, das Spitzengremium von Ärzten, Kliniken und Kassen, stellt sich quer. Offenbar wegen der Befürchtung, dass dann auch andere Patientengruppen Ausnahmen wollen.

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